Der historische Ausbruch des Vesuvs von 79 nach Christus ist durch zwei Briefe von Plinius dem Jüngeren an Tacitus aus dem Jahr 106 oder 107 urkundlich überliefert. Plinius erlebt den Ausbruch als 18-jähriger in Misenum, über die Katastrophe und den Tod seines Onkels Plinius des Älteren berichtet er aus eigenem Erleben und nach Befragung von Augenzeugen. Nachstehend ist der Text des ersten Briefes in Ausschnitten wiedergegeben, der die Schrecken des Ausbruchs eindrucksvoll schildert. Wir haben uns weitgehend an das Original gehalten:
"Mein Oheim befand sich zu Misenum, wo er die Flotte befehligte. Am 25. August (in manchen Schriften am 24. August oder auch am 24. Oktober) kurz nach Mittag (zur siebten Stunde) machte meine Mutter ihn auf eine Wolke von ungewöhnlicher Größe und Gestalt aufmerksam. Mein Oheim hatte in der Sonne gelegen, dann kalt geduscht, im Liegen gespeist und hatte dann wissenschaftlich gearbeitet. Er verlangte nach seinen Sandalen und stieg auf einen Ort, von dem aus jenes Schauspiel am besten beobachtet werden konnte. Eine Wolke - den Betrachtern war unklar, von welchem Berg, später erkannte man, dass es der Vesuv war - erhob sich, deren Ähnlichkeit und Gestalt am ehesten einer Pinie glich. Denn wie in einem langen Stamm emporgezogen, verbreiterte sie sich durch Zweige, ich glaube, weil sie durch frischen Wind empor getragen wurde. Dann aber, wenn dieser Sog schwächer wurde, kam sie zum Stehen oder verlor auch aufgrund des eigenen Gewichts an Auftrieb und nahm an Ausdehnung zu. An manchen Stellen war sie weiß, an anderen dunkel und fleckig, als ob sie Erde oder Asche mit sich gerissen hätte.
Das Ereignis schien meinem Oheim, der ja ein gebildeter Mann war, bedeutend und als eines, das man näher kennen lernen musste. Er ließ ein schnelles Schiff herrichten. Er bot mir Gelegenheit, zusammen mit ihm zu fahren, wenn ich wollte. Ich antwortete, dass ich lieber studieren wollte, und zufällig hatte er mir selbst etwas gegeben, das ich schreiben sollte. Er verließ das Haus. Er nahm die Briefe von Rectina, der Frau des Tascus, entgegen, die wegen der drohenden Gefahr sehr beunruhigt war. Ihr Landhaus lag nämlich am Fuß des Vesuvs und es gab keine andere Fluchtmöglichkeit als mit Schiffen. Sie bat darum, dass er sie aus der so großen Gefahr rette. Jener änderte seinen Plan und, was er mit Neugierde und Forscherdrang begonnen hatte, das führte er jetzt mit aller Kraft durch.
Er ließ Vierruderer zu Wasser bringen und ging selbst an Bord, um nicht nur Rectina, sondern vielen Hilfe zu bringen. Die Küste war nämlich stark besucht wegen der Lieblichkeit der Gegend. Er eilte dorthin, von wo die anderen flüchteten, und steuerte gradewegs auf die Gefahr zu, völlig frei von Furcht, um alle Stufen dieses Unglücks, wie er es mit eigenen Augen wahrgenommen hatte, zu diktieren und aufzuzeichnen.
Schon fiel Asche auf die Schiffe, desto heißer und dichter, je näher man kam. Bald fielen auch Bimssteine und schwarze, ausgebrannte, vom Feuer geborstene Steine. Bald darauf zeigte sich unerwartet eine Untiefe, so dass eine Landung in der Bucht unmöglich wurde. Er zog für kurze Zeit in Erwägung umzukehren, dann aber sagte er dem Kapitän, der dazu riet, das zu tun: Das Glück hilft den Tapferen! Fahre zu Pomponianus nach Stabiae! In Stabiae war Pomponianus von der mittleren Bucht abgeschnitten, denn allmählich strömte das Meer an die gekrümmte und bogenförmige Küste. Obwohl nicht so unmittelbar, war auch dort die Gefahr groß. Pomponianus hatte daher schon all seine Habe auf Schiffe laden lassen und wartete nur das Ende des ungünstigen Windes ab, um die Flucht ergreifen zu können.
Mit diesem günstigen Wind fuhr mein Oheim in den Hafen ein, umarmte die Zitternden, redete ihnen zu und tröstet sie. Um ihnen die Furcht um ihre Sicherheit zu verringern, ließ er sich ein Bad bereiten. Als er gebadet hatte, legte er sich hin und speiste, entweder heiter oder - das ist eine gleich große Leistung - einem Heiteren ähnlich. Unterdessen schossen aus dem Vulkan an mehreren Stellen breite und hohe Flammensäulen empor, und schlangenförmige Feuerzungen wurden wie gewaltige Blitze heraus geschleudert. Die Dunkelheit der Nacht ließ das Schauspiel noch großartiger erscheinen. Mein Oheim sagte als Heilmittel gegen die Furcht immer wieder, dass Feuerstellen, welche von den Bauern aus Furcht verlassen worden waren, und verlassene Landhäuser, um die sich niemand kümmerte, brannten.
Dann legte sich mein Oheim zur Ruhe und schlief auch wirklich fest ein. Denn seine Atemzüge, die bei ihm wegen der Fülle des Körpers schwerer und lauter waren, wurden von denen gehört, die vor der Schwelle zu seiner Tür auf und ab gingen. Aber der Hof, von dem aus man in sein Zimmer gelangte, war allmählich mit Bimssteinen und Asche so hoch aufgefüllt und hatte sich gehoben, so dass ein Herauskommen bald nicht mehr möglich gewesen wäre, wenn man länger wartete. Als man ihn geweckt hatte, stand er auf und begab sich zu Pomponianus und den übrigen, die Wache gehalten hatten.
Man beriet, ob man im Hause bleiben oder sich ins Freie begeben sollte. Durch die häufigen und starken Erdstöße gerieten nämlich die Gebäude ins Wanken und schienen sich, als ob sie aus ihren Fundamenten gesprungen wären, bald in die eine, bald in die andere Richtung zu bewegen. Andererseits fürchtete man sich unter freiem Himmel vor den niederfallenden Bimssteinen, obwohl sie leicht waren. Und setzte sich bei meinem Oheim auch eine Überlegung gegenüber der anderen durch, so besiegte bei den anderen eine Furcht die andere Überlegung. Sie banden sich nun mit Tüchern Kissen über den Kopf als Schutz gegen das, was herabfiel.
Anderenorts war es bereits Tag geworden, hier aber herrschte noch Nacht, und zwar schwärzer und undurchdringlicher als sonst. Dennoch wurde sie von vielen Fackeln und verschiedenen Lichtern unterbrochen. Aschenregen, obgleich nicht sonderlich dick, begann auf uns herab zufallen, und als ich mich umwendete, bemerkte ich hinter uns einen dicken Rauch, der hinter uns herrollte wie ein reißender Strom. Wir wichen von der Straße auf die Felder aus, um nicht im Gewühl der Menschen erdrückt zu werden, aber kaum hatten wir den Weg verlassen, so umgab uns eine Finsternis, die nicht mit der einer mondlosen Nacht im Freien, sondern nur mit der in einem verschlossenen Zimmer ohne Licht verglichen werden kann.
Man hörte nichts als das Geschrei von Kindern, das Jammern von Weibern und die Rufe von Männern, indem die einen nach ihren Kindern, die anderen nach ihren Eltern riefen und sich nur an der Stimme erkennen konnten. Einige beklagten ihr eigenes Schicksal, andere das der Ihrigen, einige wünschten aus Todesfurcht zu sterben, andere erhoben ihre Hände zu den Göttern, aber die meisten glaubten, die letzte und ewige Nacht sei gekommen, welche die Welt und die Götter zusammen vernichten würde.
Wir eilten an den Strand, um zu sehen, ob das Meer befahrbar sei. Es war jedoch immer noch wild und der Gegenwind hielt an. Hier legte sich mein Oheim auf ein ausgebreitetes Tuch, verlangte mehrmals frisches Wasser und trank.
Nach langer Zeit erschien ein glimmendes Licht, welches wir eher für den Vorboten eines neuen Flammenausbruchs hielten, wie es auch wirklich war, als für das Nahen des Tages. Das wieder ausbrechende Feuer stürzte sich aber in einiger Entfernung von uns nieder und ein schwerer Schauer des Aschenregens bedeckte uns, den wir von Zeit zu Zeit abschütteln mussten, um nicht in dessen Anhäufungen erdrückt und begraben zu werden. Plötzlich loderten ganz in der Nähe Flammen auf, und ein stechender Geruch trieb die meisten in die Flucht, meinen Oheim brachten sie dazu aufzustehen. Gestützt auf zwei Sklaven erhob er sich, um zu fliehen, sank aber im selben Augenblick tot um, wie ich glaube, weil sein Atem durch den allzu dichten Qualm behindert und seine Luftröhre verschlossen war, die bei ihm von Natur aus schwach und eng und häufig entzündet war.
Endlich lichtete sich diese fürchterliche Finsternis nach und nach, wie sich eine Rauchwolke lichtet, der Tag kehrte zurück und selbst die Sonne erschien wieder am Himmel, obgleich nur sehr blass, so als solle eine Sonnenfinsternis beginnen. Jeder Gegenstand, der sich unseren Blicken bot, war verändert, indem er mit weißer Asche wie mit einem tiefen Schnee bedeckt war. Der Körper meines Oheim wurde unversehrt und unverletzt gefunden, wie er verhüllt worden war: Die Körperhaltung war einem Ruhenden ähnlicher als einem Schlafenden.
Inzwischen waren meine Mutter und ich in Misenum - aber das ist nicht Teil der Geschichte, und du wolltest nichts anderes wissen als über seinen Tod. Ich werde daher zu schreiben aufhören. Eines will ich hinzufügen, dass ich alles beschrieben habe, bei dem ich selbst dabei gewesen war und was ich selbst unmittelbar danach gehört hatte, wenn man sich am besten an die Wahrheit erinnert. Lebe wohl!"
Im zweiten Brief beschreibt Plinius der Jüngere die Panik, die in Misenum durch Erdbeben und Aschenfälle ausgelöst wurde. Der Hauptphase des Ausbruchs, die selbst nur 2 Tage dauerte, waren demnach mehrere Tage lang heftige Erdbeben vorausgegangen.