Rainer Olzem - arge-geologie.de

Stromboli grüßt mit nächtlichen Lavafontänen

von Timm

Stromboli grüßt mit nächtlichen Lavafontainen

Der neue Tag auf der Nachtfähre nach Stromboli beginnt mit unruhigem Schlaf der Exkursionsteilnehmer. Immer wieder treibt es den einen oder anderen hinaus auf das Schiffsdeck, in der Hoffnung, den natürlichen Leuchtturm des Mittelmeeres zu sehen. Dann, kurz nach 5 Uhr in aller Herrgottsfrühe, können wir das Begrüßungsfeuerwerk des Stromboli, mit noch von der Müdigkeit halb geschlossenen Augen, in Form von prachtvollen nächtlichen Lavafontänen bewundern. Das nächtliche Naturschauspiel besteht aus zwei größeren Lava-Eruptionen und mehreren kleineren Ausbrüchen. Wir sind sofort hellwach.

Rainer antwortet auf die Frage von Kai "Wie lange dauert es noch, bis wir da sind?" mit "Wir haben noch Mineralwasser", was auf die meisten Fragen von Kai auch die richtige Antwort gewesen wäre. Hier wäre jedoch die richtige Antwort gewesen "Noch etwa 15 Minuten."

Am Ansturm auf die nur ganz kurz geöffnete Bar können nur Jan, Rainer und Timm erfolgreich teilnehmen. Als Belohnung gibt es ein Frühstück mit Cappuccino und Cornetto. Als Kai, ewig hungrig und durstig, auf die Nahrungsquelle aufmerksam gemacht wird, ist es schon zu spät. Die Bar ist wieder dicht und ausgerechnet Kai muss hungern.

Blick von der Anlegestelle zum Strombolicchio

Wir nähern uns allmählich dem langsam aus der Dämmerung auftauchenden Feuerberg, ein erhebender Anblick. Um halb sechs in der Früh betreten wir endlich wieder festen Boden. Stromboli, die viertgrößte, am weitesten nordöstlich gelegene Insel des Äolischen Archipels. Sie umfasst eine Fläche von 12,6 km² und erhebt sich als ebenmäßiger Kegel 924 m über den Meeresspiegel. Unter dem Wasserspiegel setzt sich der Vulkan mit annähernd gleicher Hangneigung bis in eine Tiefe von über 2.000 m fort. Als wir am frühen Morgen des 24. August auf der Insel landen, betreten wir also ihr oberes Drittel, haben uns so erst einmal den mühsamen Aufstieg von 2.000 Höhenmetern erspart.

Nach kurzem, aber wegen unseres sperrigen und schweren Gepäcks anstrengendem Fußmarsch erreichen wir bereits kurz vor 6 Uhr das wunderschön gelegene Hotel Miramare. Wir haben kaum den wahrhaft paradiesischen Blick auf den schwarzen Sandstrand, das tiefblaue Meer, den Strombolicchio, eine uralte Vulkanruine vor der Küste und den grün bewachsenen Vulkan auf der anderen Seite genossen, als Kai auch schon wieder zum Hafen aufbricht, um sein Nahrungsdefizit auszugleichen. Das Hotel ist nämlich um diese frühe Zeit noch geschlossen. Als aber Kai zurückkehrt, sitzen die übrigen Exkursionsteilnehmer gemütlich bei Kaffee und Cornetti auf der Hotelterrasse. Kaffee und Cornetti, Kaffee und Weißbrot, Kaffee und Zwieback, Butter, Marmelade und Honig, an ein ausschließlich süßes Frühstück während zwei langer Wochen muss man sich erst gewöhnen.

Blick von der Anlegestelle zum Gipfel des Stromboli

Weil Rainer vergessen hat, der Hotelwirtin unsere Ankunftszeit mitzuteilen, sind unsere Zimmer noch nicht frei. Jetzt beginnt ein Wettlauf mit der Müdigkeit und der Vorfreude auf ein Bett. Dieses Problem wird von jedem ganz unterschiedlich gelöst. Timm zieht die Badehose an und faulenzt am direkt vor unserer Haustür gelegenen Strand. Schon morgens scheint eine warme Sonne. Kai schläft fest im Schatten seiner Mauer, der Kaimauer. Jan bekämpft das Einschlafen mit einem Spaziergang an der Strandpromenade und Rainer erwartet auf der Hotelterrasse standhaft die erlösende Auskunft Zimmer frei. Als dann endlich um 9 Uhr das erste Zimmer zur Verfügung steht, schafft es Jan grade noch vor dem Einschlafen sein Bett zu erreichen. Mitbewohner Kai schläft weiterhin im Schatten seiner Mauer. Rainer und Timm werden erst gegen 11 Uhr erlöst. Rainer kann Timm diese frohe Botschaft am Strand erst überbringen, als er ihn schlafend aus dem Wasser gefischt hat.

Als um 17 Uhr der Kampf gegen die Müdigkeit gewonnen ist und die Geschäfte wieder öffnen, brechen wir auf, um den Ort zu erkunden und die notwendigen Einkäufe zu tätigen. Wir sehen das Haus, das Ingrid Bergmann und Roberto Rossellini bewohnten, als sie 1950 den Film Stromboli - Terra di Dio drehten, der die Insel erst bekannt machte. Wir freuen uns über die Ursprünglichkeit des Ortes, der trotz des Tourismus seine positiven Seiten behalten hat. Streng genommen besteht die Ortschaft Stromboli aus den Orten San Bartolo und San Vincenzo.

Am frühen Abend machen wir uns dann auf den Weg zum Labronzo-Plateau, eine kleine Hochebene in gut 100 m Meereshöhe, auf dem der Leuchtturm Semaforo di Labronzo steht. Damals gab es dort auch ein Observatorium. Heute steht hier in bevorzugter Lage eine einfache Pizzeria, die wir aus zwei wichtigen Gründen vorhaben aufzusuchen. Erstens haben wir Kohldampf auf eine leckere Pizza und Durst auf ein kühles Bier, zweitens wollen wir die von Labronzo wunderbar anzuschauenden Vulkanausbrüche genießen.

Von der Ortschaft San Bartolo führt ein flach ansteigender Weg nach oben, im unteren Teil grob gepflastert, oben dann staubig, gerade breit genug für die kleinen Ape-Dreiräder, die neben Mopeds zu den einzigen Fortbewegungsmitteln auf der Insel gehören. Nach wenigen Serpentinen überqueren wir auf einer kleinen Brücke die stark mit Schilf und Dornengestrüpp bewachsene Vallonazzo-Schlucht. Hier kostete ein mächtiger pyroklastischer Strom aus Aschen, Schlacken, Steinen und heißen Gasen, der am 11. September 1930 während des bisher heftigsten Ausbruchs des Stromboli durch die Schlucht donnerte, 3 Einwohnern der Insel das Leben.

Die Eruption von 1930 (nach RITTMANN, 1931)

Die Glutlawine raste mit einer Fronthöhe von 10 m und einer Geschwindigkeit von 70 km/h durch die enge Schlucht bis ins Meer. Einige am Strand liegende Boote wurden in Brand gesetzt und das Meer begann in einem Umkreis von etwa 20 m zu kochen. Ein Einheimischer, der in einer Brandungshöhle Schutz vor dem Inferno gesucht hatte, wurde tödlich verbrüht. Bis zu 100 m seitlich der Schlucht verbrannten die Weinreben. Ein dort arbeitender Bauer wurde später in halbverkohltem Zustand aufgefunden, er hatte deutliche Anzeichen eines Erstickungstodes. Während des Ausbruchs senkte sich das Meer zunächst um mehr als einen Meter, flutete dann heftig zurück und hob sich um 2,20 m über seinen Normalstand. Ein alter Mann wurde von der Flut erfasst und ertrank. Noch heute sieht man von einer Wegkehre aus die drei Gräber der Opfer am Fuße der Schlucht.

Sehr interessant ist der Augenzeugenbericht [1] eines deutschen Touristen, der sich während des Ausbruchs etwa 200 m südlich vom Semaforo di Labronzo, also mitten in der am schwersten betroffenen Zone befand. Er schrieb:

Deutlich höre ich die Eruptionen, das Geprassel, ein Rutschen von Steinmassen und ein Zischen. Das Meer kocht. Große wolkige Gebilde schieben sich die Küste entlang. Das Geräusch der Eruptionen wird stärker.

Danach herrschte vor den beiden Haupteruptionen rege Tätigkeit im Krater, große Mengen heißer Schlacken rutschten und rollten die Sciara hinab, wo sie zischend im Meer verloschen und Dampfwolken erzeugten.

Da, eine neue Eruption, direkt vom Berg her. Fast gleichzeitig ein fürchterliches Prasseln und Rutschen. Der Berg oben ist dicht umwölkt, und das Prasseln kommt mit rasender Geschwindigkeit näher. Und nun geht ein Trommelfeuer los: Rechts und links, vor mir und hinter mir schlagen Geschosse ein, Steine von der Größe einer Faust bis zur Größe eines Rucksackes. Immer dichter und dichter.

Es handelte sich um die durch die zweite Eruption ausgeworfenen Blöcke. Zum Glück für den Augenzeugen fielen die größten, bis zu 30 Tonnen schweren Blöcke nicht in seine Nähe. Er suchte nun hinter den Stämmen einiger großer Bäume Schutz.

Es wird immer dunkler. Die Einschläge werden noch stärker. In den Ästen kracht und splittert es. Eine dichte Sandwolke senkt sich herab, und es ist pechschwarze Nacht. Düsterrote Flammen schwelen durch die Sandwolken. Die glühenden Lavafetzen haben das trockene Gras (und die Rohrpflanzungen) entzündet. Die Luft wird brühheiß, dicker Sand hängt in der Luft und der Atem geht schwer. Es wird heller. Der Steinregen lässt nach, bald kommt nur noch Sand.

Nun verließ Foltz seine Deckung und flüchtete nach San Bartolo. Noch einmal fliegen Schlacken. Er rannte über die glühend heißen Sand- und Steinmassen im Vallonazzo und erreichte mit Brandwunden an den Füßen das Dorf.

Rauchwolken über dem Berg nach einer Eruption

Die Ankunft am Leuchtturm gegen 19 Uhr lässt uns vor der langsam einbrechenden Dämmerung noch genügend Zeit für einen Blick auf das majestätische Meer und auf die schroffe Nordwestseite des Berges. Zuerst werden wir in der Pizzeria überhaupt nicht beachtet, geschweige denn bedient. Na ja, vielleicht ist der Pizzaofen noch nicht auf Betriebstemperatur. Beim Blick in die Speisekarte stellen wir mit Entsetzen fest, dass wir für unser kühles Bier stolze 5,50 EURO hinblättern müssen. Wir dürfen uns jetzt bloß nicht darauf einlassen, den Preis in DM oder gar in Lire umzurechnen. Nach kurzer Diskussion bestellen nur Jan und Rainer ein Bier, der heute abstinente Kai und der wie immer sparsame Timm widerstehen der Versuchung.

Als dann gegen halb neun die Dunkelheit Stromboli allmählich verschluckt, sehen wir den Feuerberg in Aktion. Wir können drei Arten von Eruptionen unterscheiden, was uns vermuten lässt, dass auf der Kraterterrasse mindestens drei vulkanische Bocchen in Betrieb sind. Wir beobachten schwarze etwa 100 bis 200 m hohe Aschewolken, die die gesamte Länge der Sciara del Fuoco heftig einstauben. Wir sehen zwar nicht die gesamte Sciara, aber wir sehen die Staubwolken. Dann bestaunen wir etwa 50 m hohe Lavafontänen, die von unten wie ein künstliches Feuerwerk auf der Kraterterrasse aussehen. Und schließlich stößt der Berg hin und wieder kleinere hellgraue Aschen- und Wasserdampfwolken aus, ohne erkennbaren Niederschlag auf der Sciara.

Stromboli in der Abenddämmerung

Nach Boccha und Lava, Pizza und Pasta verabschieden wir uns mit dem landestypischen Grappa und machen uns, bewaffnet mit Taschenlampen, auf den staubigen Rückweg zum Hotel Miramare.

Referenz:

[1] H. Pichler. Italienische Vulkangebiete III: Lipari, Vulcano, Stromboli, Tyrrhenisches Meer. Sammlung geologischer Führer, Bd. 69, 1981

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