15.00h. Abstieg. Seit einer Stunde hat sich das Wetter kontinuierlich verschlechtert und mächtige Quellwolken türmen sich an der Ostseite des Gipfels immer weiter auf. Es ist Zeit zu gehen. Wir umrunden die Kraterterrasse auf mittlerer Höhe und gleiten am Rande des Südostkraters durch die lose, mit Lapilli durchsetzte Asche hinab.
Das Abgleiten ist immer wieder ein Höhepunkt einer Vulkanbesteigung: jeder Schritt löst eine kleine Lawine aus, auf der man etwa ein bis zwei der vorher mühsam erkämpften Meter spektakulär hinabrutscht. Dabei kann man beachtliche Geschwindigkeiten erreichen. Kai scheint es diese Art der Fortbewegung ganz besonders angetan zu haben, wie wir in den nächsten Tagen noch erleben sollten.
Obwohl es auch hier vereinzelte heiße Fumarolen gibt, stoßen wir am Fuße des Südostkraters plötzlich auf einen harten Untergrund: dicke Schichten von Eiskristallen, die sich, unter der Asche begraben, über die warme Jahreszeit erhalten. Diese Tacche, auch Nivarolen genannt, bestehen aus verfestigtem Schnee. Sie erreichen recht große Ausdehnungen und wurden noch bis in das vorangegangene Jahrhundert hinein von den Bewohnern der umliegenden Ortschaften zur Gewinnung von Eis für Kühlzwecke und Speiseeis regelrecht abgebaut.
Gegen 15.30h haben wir die Hütte der Bergführer mit den davor wartenden Bussen wieder im Blick, als wir plötzlich einen lauten krachenden Knall vernehmen. Eine Eruption? Wir sind erschreckt und versuchen eine Zeit lang in der mittlerweile wolkenverhangenen Kulisse der Gipfelregion Bewegung auszumachen. Aber die Quellwolken haben sich inzwischen zu einem ausgewachsenen gewittrigen Cumulonimbus entwickelt, und es hat nur einen Donnerschlag gegeben. Die Eindrücke von der Kraterterrasse haben uns offensichtlich nachhaltiger im Griff, als wir denken.
Einer der bereitstehenden Unimog-Busse nimmt uns und einige andere Reisende mit zur Seilbahnstation. Ein wenig genervt sind wir, als der Fahrer unterwegs unvermittelt anhält und den Passagieren billige Imitate aus gezüchteten Kristallen verschiedener Salze als Minerali anbietet. Ein kleiner Junge kauft schließlich ein Stück Lava, das mit stark ätzenden giftigen Kupfersulfatkristallen bewachsen ist. Wir wundern uns und besteigen die Gondel, die uns zur Talstation der Seilbahn bringt.
Bis in den frühen Abend hinein entladen sich zahlreiche kleine Gewitter am Berg. Vielleicht deswegen sind unsere sieben Hunde heute abend so ungewöhnlich aktiv und laut. Auch auf unsere Hütte, die uns um etwa 17.00h wieder aufgenommen hat, fällt hin und wieder ein wenig Regen. Der anstrengende Aufstieg in der großen Höhe und auch der kalte Wind am Gipfel haben uns müde gemacht, viel mehr als Essen - einen großen Topf Conchiglie al Pesto und Salat - können und wollen wir heute abend nicht mehr tun. Das Bier ist angenehm kühl. Der aufregende Tag der Gipfelbesteigung endet am hypnotisierenden Feuer des Kamins.