Tacitus berichtet über ein Ereignis, das im Jahre 59 nach Christus, also 4 Jahre vor dem großen Erdbeben und 20 Jahre vor dem alles zerstörenden Ausbruch des Vesuvs in Pompeji stattgefunden hatte. Interessant ist dabei ein Vergleich mit Auswüchsen in heutigen Fußballstadien. Gewalt bei Sportveranstaltungen und bei Wettkämpfen ist nicht erst eine Erfindung unserer Zeit. Wir haben den folgenden Originaltext dem Prachtband Pompeji von J. OVERBECK [1] aus dem Jahre 1875 entnommen:
°Während, so viel wir wissen, das Verhältniß Pompejis zu Rom durchaus ein freundliches war, und durch keinen Ungehorsam einerseits, keine Bedrückung andererseits getrübt wurde, sollten die Pompejaner im J. 59 n. Chr. noch kurz vor dem Erdbeben vom Jahre 63 n. Chr., welches die Stadt zum ersten Male verwüstete, auf empfindliche Weise ihre rechtliche Abhängigkeit von der Hauptstadt fühlen (siehe Tacitus Ann. XIV. 17.).
Der aus Rom verstoßene Senator Livineius Regulus hatte in Pompeji, wohin er sich zurückgezogen, Gladiatorenkämpfe im Amphitheater veranstaltet. Das pompejanische Amphitheater, zu groß für die Zahl der Einwohner der Stadt allein (Anm.: 20.000 Plätze), wie noch genauer dargethan werden soll, war auf Besuch von den Nachbarstädten berechnet und pflegte auf diese Weise stark gefüllt zu sein. Auch bei dieser Gelegenheit waren zahlreiche Nuceriner (Anm.: Bewohner der Nachbarstadt Nuceria, das heutige Nocera) nach Pompeji gekommen, zwischen denen und den Pompejanern es, wie schon früher, zu Sticheleien, Reibereien, dann zu Steinwürfen und zum Gebrauch der blanken Waffe gekommen war. Die Pompejaner waren zahlreicher und stärker und siegten in dem ausgebrochenen Kampfe, aber die Nuceriner wandten sich klagend nach Rom, gaben ihre zahlreichen Verwundungen und den Tod von Kindern und Eltern an.
Der Kaiser schob die Sache dem Senat, dieser den Consuln zu, und nachdem sie von diesem wieder an den Senat gelangt war, lautete der Urteilsspruch, alle ähnliche Schau sei in Pompeji auf 10 Jahre zu verbieten, die gegen das Gesetz gebildeten Collegien aufzulösen, Livineius und die Theilhaber an dem Crawall zu verbannen.
Bedenkt man die unendliche Lust, ja Sucht namentlich für die Spiele und Kämpfe des Circus und des Amphitheaters, nach denen das Volk bekanntlich gleich nach dem Brode rief (panem et circenses), so begreift man die Härte dieses freilich nicht ungerechten Spruches für Pompeji."
[1] OVERBECK, J. (1875): Pompeji in seinen Gebäuden, Alterthümern und Kunstwerken für Kunst- und Alterthumsfreunde. Verlag von Wilhelm Engelmann, Leipzig.