Zwischen dem Grande Albergo und dem Eingang des Botanischen Gartens liegt das Rifugio Ariel. Es ist ein rotes Haus inmitten eines Kiefernwaldes, das erst in diesem Jahr als Herberge genutzt wird. Rainer hatte im Mai 2004 mit den Besitzern, einer alten Dame und ihrem Sohn, gesprochen, weil er unser Exkursionsteam zuerst hier einquartieren wollte. Aus Kostengründen und wegen der einmaligen Aussicht unseres jetzigen Quartiers hatte Rainer sich aber für die Hütte entschieden.
Der Besitzer hatte von einem Deutschen Flugzeug erzählt, das auf der Kraterterrasse des Ätna abgestürzt sei und dort noch im Berg stecken solle. Der Pilot, inzwischen ein alter Mann, sollte vor einigen Jahren das Wrack besucht haben. Wir überlegen, ob wir den Besitzer nach Einzelheiten, vor allem nach der genauen Absturzstelle fragen sollen. Aber es ist keiner zu Hause.
Jetzt beginnen wir den Ätna-Aufstieg über die südliche Serpentinenstraße, von der Prof. Pichler überzeugt war, dass sie nach dem 1983er Ausbruch nie wieder instand gesetzt werden würde. In einer der höheren Serpentinen besichtigen wir das wohl meist fotografierte Objekt am Ätna, das vom 1983er Lavastrom zerstörte Haus direkt an der Straße, dessen obere Etage und ehemals mit roten Ziegeln eingedecktes Dach aus der Lava herausragen. Auch Jan macht ein Foto.
Nach einer Serie kleinerer Erdbeben, die eine größere Eruption ankündigten, riss am 28. März 1983, früh um 8:45 Uhr, auf der Südseite des Berges in 2.450 bis 2.250 m Höhe eine 750 m lange Eruptionsspalte auf, an der explosive Tätigkeit einsetzte und Lavaströme ausflossen. Bereits am Abend des selben Tags überflutete die Lava die von Nicolosi von Süden herauf führende Straße auf breiter Front. Etwa 20 Gebäude wurden zerstört, darunter das Ristorante Corsaro, das Hotel Cantoniera, eine Reihe von Häusern am Südhang und auch das frühere Albergo und Ristorante La Quercia in etwa 1.300 m Höhe, das uns am Vorabend so gut und freundlich bewirtet hatte. Nach dem Wiederaufbau heißt es nun La Nuova Quercia.
Am 6. August 1983 endete die vulkanische Aktivität. Insgesamt wurden etwa 80 - 100 Millionen m³ Lava gefördert, die eine Fläche von 6 km² bedeckte. Der mit 7,5 km längste Lavastrom floss bis in 1.080 m Meereshöhe und kam 7 km vor Nicolosi zum Stillstand.
Der 1983er Ausbruch fand durch den erstmals an einem europäischen Vulkan unternommenen Versuch, durch eine Sprengung den Lauf der Lava abzulenken, weltweites Interesse.
Als wir die Station Ätna-Süd erreichen, bekommen wir erst mal einen Schreck. Die Örtlichkeit ist eine wilde Baustelle, die früheren Souvenirläden in kleinen Holzhäusern sind großen festen Gebäuden gewichen, die ehemals einfache Verkehrsführung wurde verkompliziert und die Straße neu angelegt. Wir fragen uns, ob das Sinn macht. 2001 kam die Lava und floss über die Straße, den Parkplatz und einige Gebäude. Als alles wieder neu errichtet war, kam die Lava 2002 wieder und zerstörte dieses Mal noch mehr. Erschreckt sind wir auch über die Masse an Touristen und Touristenbussen.
Rainer hatte bereits vor Jahren mit dem dicken Parkwächter Freundschaft geschlossen. Er ist enttäuscht, dass er sich nicht sehen lässt. Es ist halt zu viel Betrieb. Dieser Parkwächter ist nämlich gar kein echter Parkwächter. Wenn ein Autofahrer nicht bezahlen wollte und ihn nach seiner Berechtigung fragte, zückte er einen alten zerknitterten Zettel mit einem Bettelbrief in der jeweiligen Sprache. Er sei ein armer Mann und bitte um eine kleine Spende. So wie der Parkwächter sein nicht vorhandenes Amt ausführt - er ist trotz der vielen großen Busse absolut souverän - wäre ihm bis auf wenige missgünstige Menschen keiner auf die Schliche gekommen. Er steckt sogar ab und an kleine Zettelchen mit irgend welchen Stempeln unter die Scheibenwischer.
Bei Ätna-Süd liegen zwei Flankenvulkane von 1892, der Monte Silvestri inferiore und der Monte Silvestri superiore, die man besteigen und umrunden kann. Als wir sehen, dass dort oben am Kraterrand kein Platz mehr für uns ist, werfen wir lieber einen Blick auf die in etwa 2.100 m Höhe oberhalb der Station gelegene Ausbruchstelle des Jahres 2001. Und informieren uns bei Hans Pichler über die Geologie des Berges.
Der Ätna, dessen vulkanische Produkte eine Fläche von etwa 1.170 km² und ein Volumen von rund 530 km³ einnehmen, ist Europas größter tätiger Vulkan. Unter den aktiven Vulkanen der Welt steht er hinsichtlich der Zahl seiner Ausbrüche in historischer Zeit an erster Stelle. Der nach allen Seiten hin freistehende Berg erhebt sich zur dreifachen Höhe der ihn umgebenden Gebirge. Naturgemäß bleibt seine Höhe nicht konstant. Sie liegt je nach den Folgen der vorangegangenen Aktivität zwischen 3.200 und 3.350 m über NN.
Der Ätna liegt einem isostatisch aufsteigenden Sockel aus Sedimenten auf, die kreidezeitlichen bis quartären Alters sind. Sie werden auf der Nordwest- Flanke des Berges erst in 1.150 bis 1.300 m Meereshöhe von Vulkaniten überdeckt. Demnach beträgt die absolute Höhe des Vulkans nur etwa 2.000 m. Der Ätna liegt auf der Westseite einer großen nordost-südwest streichenden regionalen Störungszone, die als Messina-Verwerfung bezeichnet wird. Dieses alte Lineament ist tektonisch noch aktiv und verursacht nicht nur den Vulkanismus des Ätna, sondern auch die häufigen starken Erdbeben in dieser Region. 1693 wurde Catania und 1908 Messina restlos in Trümmer gelegt.
Vor etwa 600.000 Jahren begann im Altpleistozän der Vulkanismus im Bereich des heutigen Ätnas, wobei sich die vulkanische Aktivität über einen langen Zeitraum von rund 300.000 Jahren erstreckt hat. Der Aufbau des Stratovulkan- Komplexes jedoch begann erst vor etwa 100.000 Jahren. Das ältere so genannte Mongibello-Stadium, in dem der ältere Teil des heutigen Ätna entstand, wird in das ausgehende Pleistozän vor etwa 10.000 bis 8.000 Jahren gestellt, während das jüngere Mongibello-Stadium, das des heute noch tätigen Vulkans, vor spätestens 3.000 Jahren begann. Diese Zeitangaben beruhen auf C14- Altersbestimmungen der Vulkanite.
Die vulkanologische Entwicklungsgeschichte des Ätna wird in mehrere Stadien unterteilt, die in Hans Pichlers Ätna- Beschreibung aus Italienische Vulkangebiete IV aus der Reihe Geologischer Führer auf den Seiten 73 - 91 ausführlich behandelt werden.
Den Flanken des Bergs sitzen fast 300 Parasitär-, Adventiv- oder Flankenvulkane auf. Weitaus die meisten entstanden im jüngeren Mongibello-Stadium während der letzten 3.000 Jahre. Auch heute entstehen bei größeren Eruptionen immer wieder neue Flankenvulkane. Die meisten liegen im Höhenbereich zwischen 700 und 2.500 m über NN, wobei die Höhenlage um 1.800 m am dichtesten besetzt ist. Der tiefst gelegene Kegel liegt in 370 m Höhe.
Typisch für den Ätna sind Eruptionen längs aufreißender Spalten. Mit Ausnahme der auf den Gipfelbereich beschränkten Dauertätigkeit des Vulkans waren nahezu alle historischen Ausbrüche an solche Eruptionsspalten gebunden. Die Länge dieser Spalten variiert von einigen hundert Metern bis zu mehreren Kilometern. Im Laufe einer Eruption reißen die Spalten zumeist nach unten zu immer weiter auf, wobei in höher gelegenen Bereichen meist reine Schlackenkegel entstehen, in tiefer gelegenen Bereichen dagegen meist Lava ausfließt.