Rainer Olzem - arge-geologie.de

Vom friedlichen "Überläufer" zum explosiven Vulkan?

von Rainer

In den letzten Jahren hat der Ätna durch seine häufige und verstärkte Aktivität vermehrt für Schlagzeilen gesorgt. Einige Geologen verkünden, der Ätna sei dabei, sich von einem relativ friedlichen Vulkan, der vor allem durch seine eher harmlose effusive Tätigkeit des Lava-Ausflusses bekannt ist, in einen gefährlichen explosiven Vulkan zu verwandeln. Wird der Ätna damit zu einer Gefahr wie der Vesuv oder der Mount St. Helens? In der Tat waren seine häufigen Eruptionen der letzten Jahre besonders heftig und explosiv, die Lavafontänen des Südost-Kraters erreichten im Jahr 2000 mit einer Höhe von 1.200 m einen weltweiten Rekord.

Um diese Frage beantworten zu können, müssen zunächst die Ursachen des Vulkanismus im Allgemeinen und die des Ätna im Speziellen erklärt werden. Allgemeine und häufigste Ursache des Vulkanismus ist die Plattentektonik. Diese geologische Kerntheorie, erst seit dem 24. Juli 1965 offiziell anerkannt und noch später erst ansatzweise verstanden, geht von riesigen starren Gesteinsplatten aus, die aus der Erdkruste und dem oberen festen Teil des Erdmantels bestehen. Sie sind zwischen 5 und 150 km dick, driften über die Erdoberfläche, entfernen sich von einander, über- und unterschieben einander und gleiten, manchmal ruckartig, an einander vorbei. Nach der plattentektonischen Lage der Vulkane können drei Typen unterschieden werden.

Zum ersten Typ gehören die Vulkane, die sich an den Riftzonen finden, an denen zwei Platten auseinander driften. Durch diesen Riss in der festen Erdoberfläche dringt relativ dünnflüssiges und gasarmes Magma von basaltischer Zusammensetzung, so genanntes basisches Magma, aus dem Erdmantel. Typische Riftvulkane sind die Vulkane Islands.

Der Vulkanismus des zweiten Typs tritt an den so genannten Subduktionszonen auf, an denen der umgekehrte plattentektonische Prozess wie an den Riftzonen abläuft: Hier driften zwei Platten gegen einander. Meistens taucht eine abgekühlte und damit schwerere ozeanische Platte unter eine kontinentale Platte ab, wobei das in der abtauchenden Platte enthaltene Wasser und weitere flüchtige Bestandteile den Schmelzpunkt des Gesteins in größerer Tiefe herabsetzen. Das geschmolzene Gestein steigt auf und tritt meist in Vulkanketten entlang der Kontinentalränder aus. Das hier auftretende typische sekundäre Magma enthält mehr Silizium und weniger Eisen und Magnesium und ist daher viel zähflüssiger und gasreicher als basaltische Schmelzen. Die Zähflüssigkeit dieser so genannten sauren Schmelzen und der hohe Anteil an gelösten Gasen sind die Ursachen für die hohe Explosivität der Subduktionsvulkane. Auch Kontinentalplatten können kollidieren, wobei sowohl Subduktion als auch Aufschiebung stattfinden können. Typische Subduktionsvulkane sind die Vulkane Japans und Indonesiens.

Der dritte Typ ist der so genannte Hot-Spot-Vulkanismus, der nicht an die Plattengrenzen gebunden ist. An den Hot-Spots steigen pilzartige Gebilde, so genannte Plumes aus heißem, plastischem Mantelmaterial auf und durchschlagen die Erdoberfläche. Typische Hot-Spot-Vulkane sind die Vulkane Hawaiis und der Eifel.

Kompliziertes System von Plattengrenzen, Überschiebungen und Störungen im Mittelmeerraum
Vermutete Lage der Haupt-Plattengrenzen
Schematische Darstellung der zukünftigen Lage der Subduktionszone in Bezug zum Ätna

Der Großraum, in dem der Ätna liegt, ist geprägt durch eine äußerst komplizierte, sich in den letzten 60 Millionen Jahren fortwährend verändernde Tektonik. Die Geologie ist weit davon entfernt, diese komplexen tektonischen Verhältnisse zu verstehen. Und so passt der Ätna überhaupt nicht in das Schema der drei Vulkantypen. Der Vulkan liegt im Dreieck zwischen der eurasischen, der afrikanischen und der adriatischen Platte. Sizilien besteht aus Teilen dieser drei Platten, die hier übereinander geschoben und verschweißt wurden. Außerdem schneiden sich im Bereich des Ätna mehrere große regionale Verwerfungslinien.

Seinen Produkten und der Art der Tätigkeit nach zu urteilen, scheint der Ätna noch am ehesten mit den Hot-Spot-Vulkanen verwandt zu sein. In jüngster Zeit wird daher vermutet, dass er aus einem aktiven Plume entstanden ist. Allerdings muss man sagen, dass sich mit keinem der verschiedenen Modelle bislang alle Besonderheiten des eigenwilligen Feuerspuckers befriedigend erklären lassen.

Beispielsweise gehört der Ätna zu den ganz wenigen Vulkanen, die eine so genannte Dauertätigkeit aufweisen, also keine oder nur sehr kurze Ruhepausen zwischen aktiven Phasen einlegen. Dies setzt voraus, dass ständig Magma aus dem Erdmantel nachströmt und dass ein permanent offener Aufstiegsweg für die Schmelze existiert. Die Verbindung der Krater mit den Magmareservoiren, die etwa 2 sowie 20 bis 30 km unter dem Gipfel vermutet werden, scheint in der Tat ein extrem langlebiges Gebilde zu sein. [1]

Eine Forschergruppe aus französischen und italienischen Geologen begann 1996 mit einer umfassenden Untersuchung der Laven des Ätna und der umliegenden Vulkane. Untersucht wurden Schmelzeinschlüsse im Vulkangestein, die die ursprüngliche Zusammensetzung des Magmas bewahren. Der erstaunliche Befund: Die Magmen, die älter als etwa 100.000 Jahre sind, sind denen der nicht mehr aktiven Hot-Spot-Vulkane der Monti Iblei südlich des Ätna sehr ähnlich. Dagegen gleichen die jüngeren Laven denen der Liparischen Inseln, die ihre Ursache haben im Abtauchen der afrikanischen Platte unter die eurasische.

Die Geologen glauben nun, dass diese Subduktionszone allmählich nach Süden wandert und der Ätna zunehmend in ihren Einflussbereich gelangt. So wäre der Ätna der bisher einzig bekannte Vulkan, bei dem ein Übergang von einem Vulkantyp zum anderen beobachtet wird.

Wenn der vor etwa 100.000 Jahren gestartete Prozess weitergeht, dürfte der Ätna allerdings mit der Zeit deutlich gewaltsamer ausbrechen und damit seinen relativ gutmütigen Charakter verlieren. Doch wird dies mit Sicherheit nicht von heute auf morgen geschehen. [..] Einige 10.000 Jahre könnte es also schon noch dauern, bis eindeutig feststeht, ob die Forscher mit ihrer pessimistischen Prognose Recht behalten und der Ätna sich tatsächlich in eine Art zweiten Vesuv verwandelt. Bis dahin bleibt den Sizilianern reichlich Zeit, sich auf die veränderte Situation einzustellen. [1]

Referenz:

[1] T. Pfeiffer. Wird der Ätna zum Pulverfass? Aus: Spektrum der Wissenschaft, Dossier 6/03: Die unruhige Erde (II).

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