Rainer Olzem - arge-geologie.de

El Hierro - Ein geologischer Überblick

Autor zahlreicher Publikationen über die Geologie der Kanaren: Der Geologie-Professor Juan Carlos Carracedo

Im Mai 2013 waren wir zum ersten Mal auf der kleinsten der 7 großen Kanareninseln und waren beeindruckt von der herben Schönheit und Ursprünglichkeit der Insel.

Der folgende Artikel ist eine kurze Zusammenfassung des aktuellen Kenntnisstandes zur Geologie von El Hierro und eigener geologischer Beobachtungen. Wir haben dazu folgende Literatur verwendet:

CARRACEDO, J. C. et al. (2001): Geology and Volcanology of the Western Canaries: La Palma and El Hierro. Estudios Geológicos, 57, 171-295.

CARRACEDO, J. C. (2008): Los Volcanes de las Islas Canarias, Bd. IV - La Palma, La Gomera, El Hierro. Editorial Rueda S. L., Madrid/Espana.

CARRACEDO, J. C. et al. (2009): Megadeslizamientos en las Islas Canarias. Ensenanza de las Ciencias de la Tierra, 2009 (17.1), 44-56

CARRACEDO, J. C. / DAY, S. (2011): Classic Geology in Europe 4: Canary Islands. Terra Publishing, Edinburg/Scotland.

ROTHE, P. (2008): Sammlung Geologischer Führer, Bd. 81: Kanarische Inseln. Gebr. Bornträger, Berlin – Stuttgart.

SCHMINCKE, H. U. / SUMITA, M. (2010): Geological Evolution oft he Canary Islands. Görres Druckerei und Verlag GmbH, Koblenz/Deutschland.

Der vulkanische Bau der Insel

Die Kanareninsel El Hierro aus dem Weltraum (Google Earth)

Über die Geologie der kleinen Kanareninsel El Hierro war bis vor einigen Jahren wenig bekannt. Erst in neuerer Zeit wiesen radiometrische Altersbestimmungen nach, dass El Hierro im Quartär entstanden ist und mit 1,12 Millionen Jahren (Ma) die jüngste der Kanarischen Inseln ist.

Während der geologischen Entwicklung der Insel gab es zwei exakt datierte Polsprünge, das sind Umkehrungen des Erdmagnetfeldes, die eine Datierung der unterschiedlichen vulkanischen Formationen durch Korrelation der magnetischen Ausrichtung in der Lava mit der Zeittafel der paläomagnetischen Polumkehr erlauben.

El Hierro ruht auf 150 Ma alter ozeanischer Kruste in einer Tiefe von 3.500 bis 4.000 m. Die gesamte Höhe der Insel beträgt demnach rund 5.000 m, vom höchsten Punkt der Insel (Malpaso + 1.500 m ü. NN) bis zum Meeresboden (- 3.500 m).

Das sternförmige Riftsystem (GRAFCAN) ...
... und die großen Bergstürze (Carracedo, 2009)

Die Geometrie und die Orientierung der sternförmigen, als Bergrücken ausgebildeten Riftzonen von El Hierro weisen auf eine Entstehung der Insel durch einen Hotspot hin. Aus dem Erdmantel aufsteigendes Magma hob und durchbrach die Kruste und bildete ein dreistrahliges Störungssystem.

Vulkanische Inseln wachsen in der Regel durch sukzessiv sich einander überlagernde Vulkane. Auf El Hierro können so 3 chronologisch aufeinander folgende Vulkane definiert werden: Auf den ältesten Vulkan, den Tiñor-Vulkan, folgten der El Golfo-Vulkan und schließlich die Rift-Vulkane entlang der 3 Bruchzonen der Insel.

Jeder dieser 3 großen Vulkane bzw. Vulkankomplexe wuchs so lange, bis er instabil wurde und seitwärts kollabierte, wobei sich weiträumige Talkessel bildeten. Die nachfolgenden Vulkanbauten wuchsen dann innerhalb dieser Talkessel.

Dieses Wachstumsmuster durch sukzessive Vulkanbauten innerhalb der Einsturzsenken der voran gegangenen Vulkane ist für die Anfangsphase der Bildung einer ozeanischen Hotspot-Insel charakteristisch. Diese Prozesse sind nirgendwo so gut wie auf El Hierro ausgebildet.

Vereinfachte geologische Karte von El Hierro (Carracedo et al., 2001)

Die gewaltigen Bergstürze auf El Hierro verursachten heftige Bewegungen großer Gesteinsmassen, die die Grundmauern der Insel erschüttert und zu starken Erdbeben und Tsunamis geführt haben müssen. Neuere paläomagnetische Untersuchungen belegen außerdem eine Rotation der gesamten Insel (Carracedo, 2008). Die magnetische Deklination der Laven des unteren Teils der El Golfo-Abfolge an der Steilwand zeigt übereinstimmend eine östliche Verdrehung von 15° in Bezug auf die jüngeren Lavaflüsse, die den höheren Hang geformt haben.

Der Tiñor-Vulkan

Der Vulkanismus auf El Hierro ist seit Beginn des Inselwachstums durch die drei Störungszonen (Riftzonen) in Form eines Sterns gekennzeichnet. Während des frühen vulkanischen Stadiums fand die maximale Aktivität entlang des Nordost-Armes statt und führte zur Bildung des Tiñor-Vulkans. Der Vulkan Tiñor ist damit der älteste subaerische Kern von El Hierro. Er nimmt den Nordost-Teil der Insel ein, sein höchster Punkt und das jüngste eruptive Zentrum dieses Vulkans ist der 1.139 m hohe Ventejis-Kegel nordwestlich der Ortschaft Tiñor.

Der Tiñor-Vulkan und die Auffüllungen seiner Einsturzmulde nehmen den Nordosten der Insel ein. Die Linie zeigt die San Andrés-Störung (Carracedo et al., 2001).

Als der Vulkan vor mehr als 1 Ma entstand, war er relativ klein und hatte steile Flanken. Zahlreiche dünne Lavaströme setzten sich nacheinander ab und bildeten schließlich mächtige Abfolgen. Als die Basis des Vulkans größer wurde und seine Flanken immer flacher, lagerten sich nahezu horizontale Lavadecken im Gipfelbereich ab. Schließlich entstand vor etwa 800.000 a in Folge einer Serie explosiver Eruptionen die Ventejis-Vulkangruppe. Ihre Laven flossen in Richtung auf Valverde und die Ostküste.

Zu dieser Zeit nahm der Tiñor-Vulkankomplex den größten Teil von El Hierro ein.

Die geologische Entwicklung von El Hierro von der subaerischen Phase bis zum Kollaps des Tiñor-Vulkans (Carracedo et al., 2001): Aufsicht und Angabe des aktiven Rifts (links) und Profilschnitt mit Datierung (rechts)

Durch die ständige Zunahme an Höhe und Volumen wurde der Vulkan instabil, so dass seine Nordwest-Flanke schließlich gravitativ einstürzte und wahrscheinlich mehr als die Hälfte der Masse des Vulkans in den Atlantik verfrachtet wurde. Durch diesen ältesten der großen Bergstürze entstand eine weiträumige muldenförmige Einsenkung an der Westseite der Insel bis hin zum Meer.

Der El Golfo-Vulkan und die Riftvulkane

Innerhalb des Einsturzbeckens des ehemaligen Tiñor-Vulkans bildete sich in der Folge der El Golfo-Vulkan, der größte und massereichste Vulkans auf El Hierro. Die Einsturzsenke wurde durch die folgenden eruptiven Aktivitäten des El Golfo-Vulkans und der Riftvulkane vollständig aufgefüllt. Am Ende der Wachstumsphase des El Golfo-Vulkans war die Insel durch diese 2 aufeinander folgenden Vulkanbauten sowohl in der Fläche als auch im Volumen größer als heute.

Auf dem Höhepunkt der Wachstumsphase des El Golfo-Vulkans folgte ein neuer geologischer Abschnitt, bei dem der Vulkanismus entlang aller drei sternförmigen Riftzonen verstärkt einsetzte und mit seinen basaltischen Eruptionsmassen fast die gesamte Insel bedeckte.

Geologische Entwicklung von El Hierro vom Tiñor-Kollaps bis zum Kollaps des El Golfo-Vulkans (Carracedo et al., 2001): Aufsicht und Angabe des aktiven Rifts (links) und Profilschnitt mit Datierung (rechts)
Die lateralen Bergstürze Tiñor, El Golfo, El Julan und Las Playas (Carracedo, 2008)

In diesem Stadium wurde die Insel sehr instabil, wahrscheinlich auch aufgrund der zahlreichen magmatischen Intrusionen, sogenannte Dykes, die in die Riftzonen eindrangen und wie Keile wirkten.

Als Reaktion darauf erfolgte eine Reihe lateraler Bergstürze, die die Einsturzbecken von El Julan (nach Südwesten) und El Golfo (nach Nordwesten) bildeten. Der dritte war ein partieller Bergsturz nach Südosten, der das kleinere Las Playas-Becken formte.

Es gibt heute nur wenige sichtbare Reste des El Golfo-Vulkans, vielleicht weil der größte Teil des Vulkans kollabierte und in den Atlantik stürzte und weil sie von jüngerem vulkanischem Material der Riftvulkane bedeckt sind. Die besten Aufschlüsse sollen nach Carracedo (2008) in den Felsen von El Golfo und Las Playas zu finden sein.

Die Roques de Salmor

Die zwei großen hellen Felsklippen im Meer, Salmor Grande und Salmor Chico, die eine nördliche Verlängerung des El Golfo-Abhangs bilden, sind die erosiven Überreste zweier mächtiger Trachytlavaflüsse aus dem Endstadium der Aktivität des El Golfo-Vulkans. Mit Hilfe der Kalium/Argon-Methode wurde ihr Alter auf 176.000 a datiert. Die Lavaflüsse wurden weder durch den Kollaps des Vulkans beeinflusst, noch wurden sie durch Laven des folgenden Riftvulkanismus überdeckt. Sie setzen sich im Steilhang des El Golfo-Tals fort, wo sie unter einer 150 – 200 m mächtigen Abfolge von Riftlava sichtbar sind.

Die Roques de Salmor sind die ...
... Überreste mächtiger Lavaflüsse.
Der Eingang zum Lagartario und ...
... eine 25 Jahre alte Rieseneidechse

 

Die Rieseneidechsen von El Hierro

Die Roques de Salmor waren das Habitat einer Spezies der großen Eidechsen von El Hierro (Gallotia simonyi), deren natürlicher Lebensraum sich einst über die gesamte Insel erstreckte. In den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde die Art ausgerottet, 1975 wurde hauptsächlich im Bereich des Steilhangs von El Golfo eine Unterart dieser seltenen Tiere erfreulicherweise wiederentdeckt.

Inzwischen werden die Rieseneidechsen in einer Zucht- und Forschungsstation bei La Frontera (Lagartario) erfolgreich vermehrt. Die Zuchtstation Centro de Recuperación del Lagarto Gigante de El Hierro liegt wenige Kilometer nördlich von La Frontera an der Hauptstraße HI 5, gemeinsam auf einem Grundstück mit dem Ecomuseo de Guinea. Ein Besuch des Museumsdorfes Guinea, stets geführt, schließt auch eine Besichtigung der Zuchtstation der Rieseneidechsen ein.

Das Museumsdorf Guinea

Im Auftrag der spanischen Krone eroberte Jean de Béthencourt im Jahr 1405 die Insel, wie damals üblich mit einer verlogenen List und unter Versklavung der Ureinwohner, der Bimbaches, im Namen des Christentums.

Auf der Fläche des Dorfes Guinea bewohnten die Bimbaches unterirdische Lavatunnel, die in der Pahoehoe-Lava späterer vulkanischer Eruptionen nach dem El Golfo-Bergsturz entstanden waren.

Aus dem Flyer des Ecomuseums Poblado Arqueológico de Guinea:

Bevor das Dorf historisch als solches entstand, war diese Zone von den Bimbaches besiedelt, die dort bis zur Eroberung blieben. Sie lebten da mit ihrem Hausrat und ihren Tieren in den Juaclos oder vulkanischen Gängen, die sich unter dem ganzen Dorf entlang ziehen. Das belegen die zahlreichen archäologischen Reste, die in dieser Zone gefunden wurden. Und sie selbst können es auch an den vielen Muschelschalen erkennen, die auf dem Boden des Dorfes verstreut sind.

Nach Ankunft der Kolonisatoren wurden die Wohnstätten auf die Oberfläche verlagert und die Juaclos ab dann, aufgrund der günstigen Temperatur- und Feuchtigkeitsbedingungen, als Keller oder als Stall für die Tiere genutzt. Besagte Gänge können beträchtliche Längen erreichen, deshalb wurden sie mittels Steinmauern in verschiedene Abschnitte unterteilt, um von mehreren Familien verwendet zu werden.

Ein Besuch des ausschließlich aus dunkler Basaltlava erbauten Dorfes ist unbedingt zu empfehlen. Führungen gibt es auf Spanisch, Englisch und Deutsch.

Willkommen im Ecomuseo
Ansicht des Dorfes ...
... und einer Dorfstraße
Wohnhöhle im Lavatunnel
Ein komfortables Schlafzimmer ...
... und die sanitären Anlagen

Der Kollaps des El Golfo-Vulkans

Der El Golfo-Kollaps war der größte und spektakulärste aller Bergstürze auf El Hierro und auf den Kanaren. Er fand vor geologisch relativ kurzer Zeit statt – vor etwa 13.000 bis 130.000 a. Das genaue Alter dieses Bergsturzes ist noch in der Diskussion. Möglicherweise gab es zwei Kollapse, einer mit einem ähnlichen Alter wie das der Lavaflüsse, die den oberen Rand des Steilhangs bilden (ca. 130.000 a) und mit der Riss-Kaltzeit übereinstimmt, und ein zweiter jüngerer, zeitgleich mit dem glazialen Maximum der Würm-Eiszeit (ca. 20.000 a). Das letztere Alter würde auch die Theorie stützen, dass dieser Kollaps durch den absinkenden Meeresspiegel während der letzten Eiszeit begünstigt oder verursacht sein könnte.

Der El Golfo-Vulkan wuchs in der Einsturzsenke des Tiñor-Vulkans (Carracedo et al., 2001): Aufsicht (links) und Profilschnitt mit Altersdatierungen (rechts)
Blick vom Mirador de Bascos in das El Golfo-Tal

Den hufeisenförmigen Rand des Einsturztrichters kann man von einer Höhe von 1.500 m ü. NN bei Malpaso bis zu einer Tiefe von 3.200 m am Meeresgrund verfolgen. Unter der Wasseroberfläche bildet er einen Canyon mit steilen, bis 600 m hohen Wänden.

Der Grund des Canyons stellt sich als eine durch die Reibungskräfte des Bergsturzmaterials polierte Gleitfläche dar. Die Rutschmassen hatten eine große Energie und erreichten hohe Geschwindigkeiten, sie breiteten sich fächerförmig über ein Areal von 1.500 km² auf dem Meeresboden aus.

Sonar-Aufnahmen zeigen bis zu 65 km weit transportiertes Bergsturzmaterial, darunter auch chaotisch verteilte eckige Blöcke mit Kantenlängen bis zu 1.200 m und 300 m Höhe.

Die rezenten Eruptionszentren im El Golfo-Tal (GRAFCAN)
El Golfo vom Mirador de la Peña ...
... und westlich von Pozo de la Salud

Durch den Einsturz verlor die Insel eine Gesteinsmasse von 150 – 180 km³. Das hufeisenförmige Einsturzbecken misst etwa 15 x 5 km. Sein Boden ist mit jungen Laven aus der Zeit nach dem Kollaps bedeckt. Diese Laven bildeten eine Küstenplattform und erweiterten die Küstenlinie.

So wie sich der El Golfo-Vulkan in der Einsturzmulde seines Vorgängervulkans Tiñor bildete, wächst gegenwärtig innerhalb des El Golfo-Tals ein neuer Vulkan. Einige der rezenten Eruptionen, deren Zentren auf dem Steilhang und innerhalb der Mulde liegen, haben diese teilweise wieder aufgefüllt. Möglicherweise wächst der Vulkan weiter, bis er die heutige Mulde vollständig ausgefüllt hat, um wieder zu kollabieren, wenn er schließlich gravitativ instabil wird.

Der Julan-Bergsturz

Schuttfächer der Bergstürze und Sedimente aus Afrika südlich El Hierro (Masson et al., 2002)

Über den nach Südwesten gerichteten Julan-Bergsturz ist wenig bekannt, u. a. auch deshalb, weil die ehemalige Bergsturzmulde durch rezente vulkanische Tätigkeit der Riftvulkane aufgefüllt wurde.

Die Form der Bergsturz-Einsenkung ist jedoch noch klar zu erkennen, obwohl der Hang vollständig mit vulkanischem Material bedeckt ist.

Sedimente aus Rutschungen vom afrikanischen Kontinentalhang haben sich bis zu den Kanarischen Inseln auf dem Meeresboden ausgebreitet.

Auch südwestlich von El Hierro verläuft solch ein Sedimentstreifen, der den Hangschutt des El Julan-Bergsturzes überdeckt: Also muss der Hangschutt und damit der El Julan-Bergsturz älter als die überlagernden afrikanischen Sedimente sein.

Die Mächtigkeit der überlagernden Sedimente von 10 – 12 m lässt auf ein sehr hohes Alter des liegenden Hangschutts schließen, wahrscheinlich älter als 158.000 a und sicherlich älter als der El Golfo-Bergsturz.

Das auf dem Meeresgrund verteilte Bergsturzmaterial des El Julan-Vulkans überdeckt eine Fläche von rund 130 km².

Blick vom Mirador El Julan auf die gleichnamige Bucht und das Mar de las Calmas
El Tacorón am Fuß des El Julan ist ein beliebtes Bade- und Taucherparadies

Der Las Playas-Bergsturz und die San Andrés-Störung

Blick vom Mirador de Isora ins Tal von Las Playas
Las Playas und San Andrés-Störung (GRAFCAN)

Der Las Playas-Bergrutsch ist ein großer unvollständiger Bergsturz am Ostrand der Insel: Ein Teil des abgerutschten Gesteinsblocks blieb auf halber Strecke stecken und bewegte sich nicht weiter.

Die Rutschung verläuft entlang einer großen Störung, der San Andrés-Störung, die sich an der Südost-Flanke der Insel von La Caleta bis zur Steilwand von Las Playas zieht. Einige Abschnitte der Störung werden von Lavenflüssen überlagert, die älter als der Bergsturz sind. Diese Laven konnten auf 145.000 a datiert werden und liefern damit ein Mindestalter für den Kollaps.

Die Bruchlinie ist eine mehr als 10 km lange Nordost-streichende Störungszone, die mit einem Winkel von 60 – 70° steil einfällt. Auf der Bruchfläche erkennbare Harnische und eine dünne stark verfestigte glasige Schicht zeugen von gewaltigen mechanischen Reibungskräften, die zu einem Aufschmelzen des Gesteins geführt und ein basaltisches Glas, sogenannten Pseudotachylit, gebildet haben.

Die steil einfallende San Andrés-Störung (Schmincke/Sumita, 2010)

Es gibt Vermutungen, dass diese Störung noch aktiv sein und in Zukunft möglicherweise einen neuen katastrophalen Bergsturz auslösen könnte. Allerdings hatte selbst der El Golfo-Kollaps, der etwa 15.000 a später die gesamte Insel gewaltig durchgeschüttelt haben muss, keinen Einfluss auf die San Andrés-Störung. Das könnte ein Nachweis für die Stabilität dieses verschleppten Blocks sein. Trotzdem sollte man dem Vorschlag folgen, Extensometer zu ihrer ständigen Überwachung einzurichten.

Das steile Las Playas-Tal misst 3,5 x 4 km und hat eine Tiefe von 1.100 m. Seine Sohle ist mit Hangschutt bedeckt, den jüngere Lavaströme von höher gelegenen Teilen durchziehen. Es ähnelt damit einer tief eingeschnittenen Schlucht, die durch starke Regenfälle oder Überschwemmungen erodiert wurde und lässt ein erosiv entstandenes Becken vermuten. Allerdings zeigen Sonar-Aufnahmen des Ozeanbodens vor Las Playas eindeutig Schuttmassen eines Bergsturzes, was auf einen lateralen Flankenbruch hinweist.

Jedoch wird nicht nur der Bergsturz, sondern auch die nachfolgende Erosion das Las Playas-Tal geformt haben. So hat intensive Erosion nicht nur die alten Formationen des Tiñor-Vulkans freigelegt, die durch zahlreiche Dykes durchschlagen wurden, sondern auch die Wände mit mächtigen Geröllhalden bedeckt.

Bucht von Las Playas und Roque de la Bonanza
Tiefblick vom Mirador de las Playas

Rezenter Vulkanismus auf El Hierro

Der Vulkan Lomo Negro

In den letzten 12.000 a, im Holozän, waren La Palma und Tenerife die vulkanisch aktivsten Inseln. Die Aktivitäten auf El Hierro waren dagegen relativ gering, viel geringer, als man bei der jüngsten Insel des Archipels erwarten könnte. Eine Erklärung der Geologen ist möglicherweise ein von aktiv zu inaktiv wechselnder Charakter zwischen den beiden Inseln La Palma und El Hierro, wobei die aktive vulkanische Phase während der letzten 120.000 – 130.000 a auf La Palma lag.

Als letzter Vulkanausbruch auf El Hierro wird oft die Eruption des Lomo Negro bei Hoya del Verodal am Ende des Westrifts genannt. Die relativ frisch aussehenden Laven werden einer Eruption von 1793 zugeordnet, der eine Reihe von Erdbeben vorausgegangen war. Jedoch gibt es in den damaligen Augenzeugenberichten keinerlei Hinweise auf eine Eruption oder auf vulkanische Erscheinungen wie Lavafontänen, Lavaflüsse, Explosionen oder Dampfwolken beim Kontakt der Lava mit Meerwasser. Im Laufe der Eruption sind große Mengen Lava ins Meer geflossen und haben eine ausgedehnte Lavaplattform geschaffen. Solche außergewöhnlichen Erscheinungen wären von den Einwohnern und von Fischern auf See mit Sicherheit erkannt worden.

Die frisch aussehenden Laven scheinen aus einer prähistorischen Eruption zu stammen und sind wohl wegen der Trockenheit dieses Inselteils so gut erhalten. Eine Datierung der Laven liegt nicht vor. Die Bebenserie von 1793 kann mit einem Schwarm Dyke-bildender Intrusionen oder mit einer submarinen Eruption vor der Küste erklärt werden.

Der Vulkan Lomo Negro und ...
... seine Lavaplattform im Meer
Die Montaña Chamuscada. Roter Punkt: Fundstelle des Holzrestes in der Lava (GRAFCAN)

Die Montaña Chamuscada

Unmittelbar nördlich von San Andres liegt eine Gruppe vulkanischer Kegel, die Montaña Chamuscada. Hier scheint der letzte Vulkanausbruch auf El Hierro stattgefunden zu haben, Lavaströme aus diesen Kegeln flossen nach Osten ab und erreichten die Küste bei Punta Timirijaque.

Ein im Lavastrom eingebetteter Holzrest eines Baumes ergab nach der Radiokarbon-Methode ein Alter von 2.500 ± 70 a.

Möglicherweise gibt es auf El Hierro weitere Eruptionen ähnlichen oder auch jüngeren Datums, die aber aufgrund fehlender organischer Reste nicht datiert werden können. Einige dieser Eruptionen mögen sehr jung sein, aber keine geschah in historischer Zeit.

Die Montaña Chamuscada bei San Andres
Geologische Karte des Tanganasoga-Vulkans (Carracedo)

Der Vulkan Tanganasoga

Ein weiterer relativ junger großer und auffälliger Vulkan liegt in der westlichen Mitte des El Golfo-Tals. Es ist der Tanganasoga-Vulkan mit seinem Eruptionskegel im Hangbereich des Tals. Der Tanganasoga ist insofern bemerkenswert, als dass er wahrscheinlich nur einen einzigen Ausbruch hatte und dass sein Ausbruch eine explosive phreatomagmatische Eruption war, die eine Lage feiner vulkanischer Aschen mit Pflanzenresten innerhalb des Tals ablagerte.

Eine phreatomagmatische Eruption ist ein mit heftigen Explosionen verbundener Vulkanausbruch, bei dem unter hohem Druck stehende Gase die überlagernden Gesteinsmassen durchschlagen. Das bis zu 1.200°C heiße Magma kommt dabei mit Meerwasser, Grundwasser oder Oberflächenwasser in Kontakt, wobei das Wasser weit über seinen Siedepunkt hinaus erhitzt wird, verdampft und sein Volumen schlagartig auf das 1.000-fache vergrößert, was zu einer hochexplosiven Dampfexplosion führt.

Der Vulkan Tanganasoga (suite101.de - Silka Riedel)

Die Explosion zertrümmert das umgebende Gestein und sprengt einen Krater in den Gesteinsuntergrund. Das ausgeworfene Nebengestein wird rings um den Krater als Wall abgelagert. Durch den direkten Kontakt von Magma mit Wasser werden die pyroklastischen Materalien sehr stark fragmentiert - von feiner Asche (kleiner 0,0625 mm) bis zu groben Blöcken (größer 256 mm) - und palagonitisiert. Palagonit ist ein Gesteinsglas, das aus basaltischem Magma in Kontakt mit Wasser entsteht. Das Auswurfmaterial weist eine schlechte Sortierung auf, d. h. es besteht aus feinen und groben Komponenten.

Phreatomagmatische Eruptionen produzieren nicht nur charakteristische vulkanische Auswurfmaterialien, sondern sie bestimmen auch Form und Größe der vulkanischen Kegel. Durch Phreatomagmatismus entstandene Krater sind oft weiter und offener als rein effusive Krater. Das Verhältnis zwischen Höhe und Weite sowie Tiefe eines Kraters erlaubt es, phreatomagmatische Krater durch ihre Dimensionen zu erkennen.

Eine Datierung des Auswurfmaterials mit der 14C-Methode ergab ein Alter von 6.700 a. Dieses Alter ist vergleichbar mit den 12.000 ± 7.000 a der K/Ar-Bestimmung aus einer Bohrung, die kürzlich die oberen Lavaschichten des Tanaganasoga-Vulkans aufschloss.

El Discreto – ein neuer Seamount

Im Juli 2011 begann auf El Hierro eine Serie von Erdbeben, wobei der Bebenherd zunächst unter dem Vulkankegel des Tanganasoga südwestlich von La Frontera im El Golfo-Tal lag. In den folgenden 3 Monaten bebte die Erde mehr als 8.500-mal, einige Beben erreichten eine Magnitude größer 3. Ende September 2011 verlagerte sich dann die seismische Aktivität an die Südspitze der Insel.

Dort setzte am 10. Oktober vulkanischer Tremor ein und später öffnete sich ein Förderschlot am Meeresboden 5 - 6 km vor der Küste in 1.000 m Tiefe. Am 12. Oktober öffneten sich 2 weitere Schlote in einer Entfernung von 3,7 km und 2,7 km vor der Küste in Wassertiefen von 750 m und 500 m.

Über die Ereignisse, die schließlich zu einem neuen Seamount – inzwischen „El Discreto“ genannt - südlich El Hierros führten, ist sehr viel berichtet worden. Wir möchten daher auf die folgenden Seiten verweisen:

Carracedo et al.(2011): Crisis Sísmica de 2011 en El Hierro

www.elhierro1.blogspot.com

www.vulkane.net

www.ic7.eu/el-hierro-vulkan-ein-vulkan-wird-geboren/entry63/

Bildanhang:

Die Vielfalt und Schönheit von El Hierro

Mirador de las Playas, einer der schönsten Miradores der Insel: Großartiger Tiefblick auf die Bucht von Las Playas und den Atlantik aus 1.100 m Höhe.
Die einzige Zufahrt zur Bucht von Las Playas und zum Parador führt durch diesen etwa 1 km langen einspurigen Tunnel (Tunel del Parador).
Am Südende von Las Playas, etwa 1 km hinter dem Parador, enden alle Straßen. Das Gebäude mit dem roten Dach in Bildmitte links ist der Parador.
Dichter Nebelurwald aus Flechten-bewachsenen Lorbeerbäumen und Farnkraut bedeckt große Teile der Hochfläche der Insel.
Die Quelle "Fuente El Lomo" mit der unterirdischen gemauerten Zisterne versorgt die hier zahlreichen Schafherden mit Wasser.
Die fruchtbare Hochebene südlich San Andrés ähnelt ein wenig den schottischen Highlands: Wiesen und Felder mit Disteln, Klatschmohn und Steinmauern.
Am Fuß des El Julan liegt im Mar de las Calmas mitten im Biosphärenreservat das bizarre Bade- und Taucherparadies El Tacorón.
Am Westende des El Golfo-Tals sind die Abhänge steil und das Gestein so locker, dass die Erosion durch Schwerkraft stetig die Steilhänge verändert.
Erodierte tonnenschwere Basaltbrocken bedecken die weite Küstenplattform unterhalb des Rincón de la Cerca am Westende des El Golfo-Tals.
Die wilde Nordwestküste im El Golfo-Tal bei Los Sargos. Im Hintergrund die beiden Roques de Salmor, ehemals Habitat der Rieseneidechsen.
Die Kirche von La Frontera "Nuestra Senora de la Candelaria" steht malerisch auf einem roten Vulkankegel vor der Steilwand des El Golfo-Tals.
Die aus dunkler Basaltlava errichtete Sommersiedlung Pozo de las Calcosas an der Nordküste liegt auf einer Zunge aus Stricklava.
Charco Manso bei Punta Norte: Ein wildes Naturschwimmbad, ein Grillplatz am Meer und ein weites Felsentor im azurblauen Ozean.
Charco Manso: "Strudeltopf" im Atlantik: Ein- und ausströmendes Meerwasser bewegt die Steine und rundet sie und den Strudeltopf.
Blick vom Mirador de Fireba (1.337 m ü.NN) in den phreatomagmatischen Vulkankrater Hoyo de Fireba.
Ganz im Westen des El Julan steht im Schatten der Montaña de Orchilla der gleichnamige Leuchtturm, unweit des ehemaligen Nullmeridians.
Zwischen den Ortschaften Sabinosa und Los Llanillos öffnet sich ein weiter Blick auf die Bucht von El Golfo. Der dunkle, spärlich bewachsene Lavastrom in Bildmitte rechts stammt vom Tanganasoga-Vulkan.
Kurz vor Sonnenuntergang beim kleinsten Hotel der Welt bei Punta Grande im El Golfo Tal
Die Abendsonne taucht die Felsküste bei Punta Grande im El Golfo-Tal in ein geheimnisvolles Licht.
Eines der vielen Highlights auf El Hierro: Panorama der Bucht von Las Playas vom Mirador de Isora
Der Bergsturz von El Julan wurde durch rezente vulkanische Tätigkeit weitgehend wieder aufgefüllt.
Der 1930 erbaute Faro de Orchilla ganz im Westen der Bucht von El Julan
Der ehemalige Nullmeridian ganz im Westen der Bucht von El Julan markierte bis 1884 den südwestlichsten Punkt der historischen Welt.

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