Rainer Olzem - arge-geologie.de

Besteigung des Vesuvs und Besichtigung von Pompeji und Herculaneum: Eine Zeitreise in das Jahr 79 nach Christus

von Rainer

Blick vom Hafen auf den Doppelkegel des Vesuvs (www.lapiazzettasorrento.com)

Am Sonntag beginnen wir den Tag um 8 Uhr mit einem typischen süditalienischen Frühstück: Brot, Butter, Marmelade, Zwieback und Kaffee. Als Konzession an die Touristen gibt es auch Schmelzkäse. Um 9 Uhr starten wir in Richtung Vesuv. Nicht erst seit heute empfiehlt sich Jan als außerordentlich guter Navigator. Wir nehmen die Auffahrt von Norden und finden ohne große Umwege den staubigen Besucherparkplatz, der uns mit Souvenirläden und Parkgebühr empfängt.

Die nördliche Zufahrtsstraße windet sich in Serpentinen zwischen dem Caldera-Rand des alten Somma-Vulkans und dem Krater des rezenten Vesuvs. Linker Hand im Tal ist die schwarze immer noch unbewachsene Lavazunge des Ausbruchs von 1944 zu erkennen, rechter Hand der Colle Umberto, eine Fließkuppe der Lava-Effusion aus einer Radialspalte von 1895 bis 1899.

Wenn wir im Folgenden Passagen und einzelne Sätze aus den Geologischen Führern von Prof. Hans Pichler teils wörtlich, teils abgeändert und gekürzt übernehmen, so sollen das keine Plagiate sein, sondern vielmehr wissenschaftliche Zitate. Denn wer kennt sich mit den Vulkanen Süditaliens besser aus und kann geologische Zusammenhänge treffender beschreiben als Hans Pichler, der die 4 Bände Italienische Vulkangebiete I bis IV aus der Reihe Sammlung Geologischer Führer verfasst hat. Es ist die deutschsprachige Standardliteratur über dieses umfangreiche Thema und eine Pflichtlektüre bei jeder geologischen Exkursion nach Süditalien. Liebevoll die detaillierten Vorschläge für eine Italien-Exkursion (eine vierwöchige!), die umfangreichen Angaben über Verkehrsverbindungen mit Anschriften und Telefonnummern der Gesellschaften und die ausführlichen Fahrpläne der Schifffahrtslinien. Wenn auch die Anschriften, Telefonnummern und Fahrpläne schon lange keine Gültigkeit mehr haben.

Der Somma-Vesuv ist ein typischer Vertreter eines Doppelvulkans, der aus zwei ineinander steckenden Kegeln besteht. Der ältere Monte Somma bildet den Unterbau dieses Stratovulkans. An seinem Fuß misst er im Umfang etwa 80 km und bedeckt eine Fläche von rund 480 km². Von dem ehemaligen Riesenkrater des Monte Somma, der im Durchmesser 4 km misst, ist nur der nordöstliche Teil des Kraterrandes als sichelförmiger Wall erhalten.

In dem weitgehend aufgefüllten Krater des Monte Somma steht etwas exzentrisch als Tochtervulkan der eigentliche Vesuv-Kegel, der im Laufe seiner Geschichte mehrfach seine Gestalt verändert hat. Heute misst er 1.281 m und überragt damit den Somma-Wall um 150 m.

Luftbild des Vesuvs und seines Umlandes (DigitalGlobe)

Der Unterbau des Vesuvs wird neben tertiären Sandsteinen, Mergeln und Tonen vor allem von Mesozoikum gebildet, an dem Kreide, Jura und Trias mit jeweils 1.500 bis 1.700 m Mächtigkeit beteiligt sind.

Die Tiefenlage der Magmakammer wird aus seismischen Messungen mit etwa 5,5 km angegeben. Aber auch aufgrund von kontaktmetamorphen Auswürflingen schloss RITTMANN, dass das Dach der Kammer aus Trias-Dolomiten besteht, die in etwa 5,5 km Tiefe anzutreffen sind. Denn unter den Auswürflingen sind nur die Trias-Dolomite besonders stark kontaktmetamorph verändert. Würden diese Dolomite nur die Schlotwandung bilden, so wären sie wegen der lediglich kurzen Kontaktdauer mit dem aufsteigenden Magma viel weniger umgewandelt. Das Kammervolumen wird auf 50 km³ geschätzt, der Kammerradius auf ca. 3 km.

Vor rund 12.000 Jahren kam es in der späten Würm-Kaltzeit in der Gegend des heutigen Monte Somma zu einem paroxysmalen Initial-Durchbruch, Magma drang aus einer Ostnordost streichenden Bruchlinie aus einer Herdtiefe von etwa 6 km zur Oberfläche. Danach setzte eine mindestens 2.000 Jahre lange vulkanische Ruhepause ein. In dieser Zeit sank infolge vulkano-tektonischer Schollenbewegungen das Dach der teilweise geleerten Magmakammer ein, was zu einer lokalen Meerestransgression führte. Gleichzeitig verlagerte sich die Magmakammer um etwa 500 m nach oben in die Trias-Dolomite.

Die durch Sieden des langsam auskristallisierenden Magmas frei werdenden und nach oben steigenden Gase - vor allem H2O, HCl, H2S u. a. - wurden durch die Gase der assimilierten Sedimente verstärkt, so dass aufgrund eines immer stärker werdenden Herd-Innendrucks ein neuer paroxysmaler Ausbruch erfolgte, mit dem die Tätigkeit des Alt-Somma begann. Der Beginn dieser Tätigkeit dürfte etwa 8.000 Jahre zurück liegen.

Nach einer etwa 2.500 Jahre andauernden, von zahlreichen Ruhepausen unterbrochenen Tätigkeit, erschöpften sich die endogenen Kräfte, der Schlot verstürzte und der Berg verhielt sich über mehrere Jahrhunderte ruhig. Erosion und Bodenbildung setzten ein. In der Tiefe jedoch ging die Assimilation der Trias-Dolomite weiter, in den höheren Herdteilen und im Schlot reicherten sich die Gase erneut an und es kam aufgrund des zunehmenden Innendrucks zu einem neuen Ausbruch. Mit dieser sehr heftigen Eruption, durch die der gasreiche obere Teil der Magmakammer in Form von Bimssteinen ausgeworfen wurde, begann vor etwa 5.000 Jahren die Tätigkeit des Jung-Somma.

Nach längeren Ruhepausen ereigneten sich ein zweiter und ein dritter paroxysmaler Ausbruch, wobei der dritte besonders heftig gewesen sein muss, denn seine Förderprodukte finden sich noch in weiter Entfernung. Mit diesem dritten Ausbruch begann eine länger anhaltende Tätigkeitsperiode, an deren Ende der Vulkan eine Höhe von über 2.000 m erreichte.

Danach herrschte erneut Jahrhunderte lang Ruhe, bis es schließlich zu einem vierten und letzten Paroxysmus des Jung-Somma kam, dem sogenannten plinianischen Ausbruch des Jahres 79 nach Christus, bei dem Pompeji, Herculaneum und weitere kleinere Ortschaften zerstört wurden.

Mit diesem historischen Ausbruch ist die Tätigkeit des Jung-Somma abgeschlossen. In der entstandenen etwa 6 km weiten Gipfel-Caldera des Jung-Somma wuchs ab dem 3. Jahrhundert nach Christus der mächtige Kegel des heutigen Vesuvs empor.

Wir steigen auf Lockermassen des letzten Ausbruchs von 1944 im Gefolge einer großen Besucherzahl den gewundenen und unbefestigten Weg zum Kraterrand empor. Ein alter Mann schenkt uns ein Stück Lava mit Olivin- und Hämatitkristallen und leiht uns kostenlos frisch geschnittene Wanderstöcke. Wie sich später herausstellt, eine äußerst lukrative Geschäftsidee. Im Gipfelbereich wird Eintritt fällig, hier häufen sich die Souvenirläden. Wir wandern den Kraterrand entlang, den man nicht vollständig, sondern aus Sicherheitsgründen nur etwa zur Hälfte umrunden darf und werfen einen Blick in den Krater mit seinen steilen Wänden, der durch den Paroxysmus von 1944 ausgesprengt wurde.

Die oberen Partien der Kraterwände bestehen aus mächtigen roten Schweißschlacken-Bildungen des 1944er Ausbruchs, der Kraterboden ist von Steinschlag- und Bergsturzmaterial bedeckt. Stellenweise erkennt man rötliche, von bunten Inkrustationen ehemaliger Fumarolentätigkeit überzogene Schlackenfelder. Gelbe, braune und rote Farben entstehen hauptsächlich durch Eisenhydroxide, die sich bei der Zersetzung der Eisen-Chloride der Fumarolen bilden. In Hohlräumen der Schlacken finden sich manchmal feine Hämatit-Kristalle, oft sieht man weißliche Gipsausblühungen, Schwefelabscheidungen dagegen sind selten.

An mehreren Stellen sehen wir Fumarolenfelder, deren Gase sich nach Pichler (ältere Messungen) zu annähernd 80% aus Wasserdampf, zu gut 15% aus SO2 und zu etwa 4% aus HCl zusammensetzen sollen.

Geologische Übersichtskarte (Pichler: Geol. Führer Bd. 51 - Somma-Vesuv)
Luftbild des Kraters und des alten Kraterrandes des Somma-Vulkans im Hintergrund (www.ondaverde.it)

Der Vulkan schläft nur. Niemand weiß, wie lange noch. Der bisher letzte Ausbruch ereignete sich im März 1944. Bereits am 1. März beobachtete man an den Seismographen des Observatoriums das Einsetzen verstärkter Erdstöße, die das Aufreißen einer Spalte in der Tiefe des Herdes ankündigten. Gleichzeitig senkte sich der Magma-Spiegel im Schlot, der am 11. März zusammenstürzte. Es folgte ein Wechselspiel zwischen Explosionen, die den Schlot wieder öffneten und neuen Einstürzen, die ihn wieder verschütteten. Am 18. März öffnete sich der Schlot unter starken Explosionen, denen rasch zunehmende Lavagüsse folgten. Nachdem die Schmelze den Krater aufgefüllt hatte, floss sie drei Tage lang in mehreren Strömen über den Kraterrand. Der Hauptstrom floss mit etwa 50 - 100 m pro Stunde durch das enge Tal zwischen Observatoriumshügel und Caldera-Rand des Monte Somma in tiefere Bereiche des Vulkans. Dort zerstörte die Lava die Orte San Sebastiano und Massa teilweise. Ein weiterer Lavastrom beschädigte die Seilbahn und die Gleise der alten Zahnradbahn.

Während dieser Lava-Ergüsse erfolgten aus dem Schlot sehr starke Lavawürfe, die sich am 20. März mehrmals zu mächtigen, mehr als 700 m hohen Lavafontänen steigerten. An vielen Stellen geriet die ausgeworfene Lava ins Rutschen und ging als Glutlawine zu Tal. Am 22. März wurden immer mehr aus den Schlotwandungen stammende Steine, Blöcke und Aschen gefördert, bis kurz danach der Schlot in sich zusammenstürzte. Drei Stunden später wurde durch heftige Explosionen der Schlot erneut geräumt, begleitet von starken Aschenwürfen und heftigen Erdbeben. Die Asche wurde bis in das 200 km entfernte Bari und sogar bis nach Albanien getrieben.

Am 29. März endete der Gipfelausbruch. Insgesamt hatte der Vesuv mehr als 50 Millionen Kubikmeter Lava gefördert und über 30 Millionen Kubikmeter Pyroklastika ausgeworfen. Dadurch entstand ein Krater mit 480 und 580 m Durchmesser und etwa 300 m Tiefe. Der heutige Krater ist durch Verstürze weniger als 200 m tief.

Als wir den Gipfelbereich verlassen, geben wir unsere kostenlos geliehenen Wanderstöcke zurück und finden ein Schild vor, dass uns freundlich zu einer Spende auffordert. Amüsiert über die blendende Geschäftsidee spenden wir 2 EURO. Wir rechnen die potentiellen Tageseinnahmen durch. Es könnten durchaus 1.000 oder mehr Besucher pro Tag sein.

Die Abfahrt führt über die selbe Straße wie die Auffahrt. Wir passieren das Observatorium, das wegen Renovierungsarbeiten zur Zeit leider geschlossen ist. Der Observatoriumseinfahrt direkt gegenüber liegt ein Cafe, in dem wir uns bei Kaffee und kühlen Getränken stärken.

Weiter geht es über die Autostrada nach Südosten in Richtung Pompeji. Hier hat ein Restaurant direkt gegenüber dem Eingang der antiken Stadt eine gute Idee gehabt. In der Einfahrt zum Restaurant können wir gegen ein saftiges Entgelt parken, die Parkgebühr wird jedoch im Falle eines Verzehrs im Restaurant angerechnet. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen, denn der Besuch des Vesuvs hat uns hungrig gemacht.

Wie an vielen archäologischen Stätten Süditaliens kostet der Eintritt für junge Leute unter 18 Jahren nichts, bis 24 Jahre nur 2 EURO und erst darüber 4,50 EURO. Sehr erfreulich.

Es ist 14:15 Uhr, als wir uns in das Jahr 79 nach Christus zurück versetzen.

Pompeji war eine wohlhabende Stadt. Viele reiche Römer aus den Städten der Umgebung hatten sie zu ihrem Sommersitz gewählt. Die Stadt zählte im Jahre 79 etwa 20.000 Einwohner. Der Vesuv mit seinen baumbestandenen und mit wildem Wein bewachsenen Hängen war ein beliebtes Naherholungsgebiet. Zu Beginn des Herbstes 79 hatte der Berg die Form eines schräg abgestumpften eingipfeligen Kegels, der eine weite und flache Kratermulde besaß. Auch die Kratermulde war baumbestanden. In ihr lagerte das Heer der aufständischen Sklaven unter Spartacus im Jahre 23 vor Christus.

Keiner der Einwohner von Pompeji und der umliegenden Orte kannte das Wesen des dem Bacchus heiligen Berges, über viele Jahrhunderte war es zu keinem Ausbruch mehr gekommen. Nur wenige Gelehrte erkannten ihn als einen Berg des Feuers. Dabei hätte bereits das vulkanische Erdbeben vom 5. Februar des Jahres 63 als ein Vorzeichen der wieder erwachenden Tätigkeit gedeutet werden können. In Pompeji gab es kaum ein Gebäude, das unbeschädigt blieb, mehrere Tempel auf dem Forum stürzten zusammen, drei der Stadttore wurden zerstört und die beiden Theater und das Amphitheater schwer betroffen.

Hier ein Animations-Video des Ausbruchs von 79 n. Chr.

Das Forum von Pompeji ...
... mit dem Vesuv im Hintergrund

Am Mittag des 24. Oktobers 79 wurden die Bewohner Pompejis durch eine dunkle Wolke von riesiger Größe in der Form einer Pinie über dem Gipfel des Vesuvs aufgeschreckt. Die Eruptionswolke erreichte mehrere Kilometer Höhe. Schon fielen Aschen und Schlacken, bald auch Bimssteine und größere Geschosse auf die Stadt und auf die im Hafen liegenden Schiffe. Als sich die Küste hob und die Schiffe deshalb nicht auslaufen konnten, wurde der Schrecken noch größer. Vollends in Panik fielen die Bewohner, als in der Nacht zum 25. Oktober starke Erdbeben einsetzten und dichter Aschenfall die Nacht noch schwärzer machte. Zwei Tage lang dauerte das Chaos, begleitet von giftigen heißen Gasen und heißen Schlammströmen. Der erste Brief von Plinius dem Jüngeren an Tacitus beschreibt das ganze Ausmaß der Katastrophe.

Was war geschehen? Das Beben des Jahres 63, das möglicherweise durch die Sackung einer Scholle des Herddaches oder das Aufreißen einer Spalte im Untergrund verursacht wurde, lockerte den Schlotpfropfen. Dessen Widerstand wurde durch die eingeschlossenen aufsteigenden Gase und durch das stetige Anwachsen des Dampfdruckes in der Magmakammer immer mehr vermindert. Am 24. Oktober 79 überwand der Innendruck den Widerstand des Pfropfens, der schlagartig zertrümmert und ausgeschleudert wurde. Unmittelbar darauf wurden in kurzer Zeit riesige Mengen von Bimssteinen und Aschen ausgeworfen. Die ebenfalls ausgeworfenen vom Herddach stammenden Trias-Dolomite sind ein Beleg dafür, dass der Schlot bis tief hinab leer geschossen wurde. Danach blies ein Gasstrahl zerriebenes Material der Schlotwandungen aus.

Während einer kurzen Ruhepause verstürzte der Schlot. Die nächste Eruption räumte ihn wieder und die Gewalt des Ausbruchs nahm rasch zu. Der Schlot verstürzte erneut und wurde ein weiteres Mal geräumt. Das gasreiche Magma der Tiefe stieg im Schlot empor, wurde durch heftige Explosionen zerstäubt und in einer sich immer mehr steigernden Folge von starken Aschen-Eruptionen gefördert. Der damit erreichte Höhepunkt des Ausbruchs war vermutlich von heftigen vulkanischen Beben begleitet. Gleichzeitig verwandelte ein wolkenbruchartiger Eruptionsregen auf dem Westhang des Vulkans große Aschemengen in Schlammströme, die Herculaneum unter sich begruben.

Durch den Auswurf enormer Massen pyroklastischen Materials waren der Schlot und der obere Teil der Magmakammer entleert worden, so dass das Dach der Magmakammer längs Bruchlinien zusammen sackte. Aus einer dieser Bruchlinien drang Magma bis zur Oberfläche und ergoss sich über das Sumpfgelände am Nordfuß des Monte Somma. Durch den Zusammensturz der Gipfelregion entstand ein Riesenkrater von 6 km Durchmesser, in dem sich in der Folgezeit der Kegel des heutigen Vesuvs bildete.

Beeindruckend ist die Anlage der Stadt Pompeji, als ob sie zur gleichen Zeit als Gesamtanlage geplant und gebaut worden wäre. Erstaunlich auch der vermutliche Reichtum ihrer Bewohner, die herrschaftlichen Häuser mit reichen Verzierungen und kühlen Innenhöfen mit Wasserbecken und Brunnen. Auffallend aber auch die oft sehr kleinen Räume.

Eher bedrückend wirken auf uns die zur Schau gestellten Leichenabgüsse, die hinter Gittern verschlossen aufbewahrt werden. Auch ein angeketteter Hund ist ausgestellt, der mit gespannten Gliedern vergebens versucht, sich zu befreien. Fast schon erschreckt sind wir, als wir in einem Innenhof nicht nur Abgüsse, sondern echte Tote finden, die wahrscheinlich von giftigen Gasen und heißer Asche erstickt und schließlich versteinert wurden. Wir erkennen Knochen der Schädel mit Zähnen, Knochen der Finger und der Füße.

Viele Fundstücke und eine der geborgenen Leichen

Von den damals etwa 20.000 Einwohnern der Stadt haben sich vermutlich viele retten können. Bisher hat man mehr als 2.000 Opfer ausgegraben. Die meisten starben infolge Erstickung durch die aus den heißen Bimssteinen entweichenden HCl- reichen Gase. Bei vielen Leichen war der Mund mit einem Kleidungsstück bedeckt, wahrscheinlich als Schutz gegen die heißen Gase und die feinen Aschen. Viele wurden von den unter der Last der Bimssteine einbrechenden Dächern erschlagen.

Die Leichen der Erstickten sahen aus wie Schlafende, andere fand man in zusammengekauerter Stellung. Andere wiederum starben vor Hunger, in Kellergewölben und anderen Räumen eingeschlossen, deren Ausgänge durch den Bimssteinregen verschlossen wurden. In einem Weinkeller fand man 17 Skelette. Andere wurden auf der 2,5 m hohen Bimssteinschicht gefunden. Es waren wohl Personen, die in die höheren Teile der Häuser geflüchtet waren, um dort das Ende des Ausbruchs abzuwarten. Als der Bimsstein-Fall aufhörte, wagten sie die Flucht, wurden aber von der Asche erstickt.

In den Wohnräumen der Häuser wurden fast ausschließlich Skelette von alten Leuten, von Kranken und Schwangeren gefunden, die nicht schnell genug fliehen konnten. Die Leichen der Sklaven lagen noch in ihren Ketten.

In der Stadt wurden viele Ställe freigelegt, in denen nur wenige Pferde- und Maultierskelette und noch weniger Wagen gefunden wurden. Das lässt darauf schließen, dass die Einwohner zu Pferde und mit Gespannen flüchteten, wahrscheinlich bevorzugt nach Nola und Nuceria, die weniger unter dem Aschenfall zu leiden hatten. Aber auch längs dieser Straßen und auch an der Küste grub man viele Tote aus, viele hatten Wertgegenstände bei sich. Die Überdeckung der antiken Stadt mit Bimssteinen und Aschen ist stellenweise 6 - 7 m mächtig.

Prachtvoller Innenhof in Herculaneum (http://fr.academic.ru)

Auf der Rückfahrt nach Napoli besuchen wir auch die antike Stadt Herculaneum, das heutige Ercolano, der Sage nach von Herakles auf seinem Rückweg von Spanien als griechische Siedlung Herakleion gegründet. Wir erreichen die kleine Stadt gegen 16:30 Uhr. Hier gibt es keinen Touristenrummel wie in Pompeji, alles ist kleiner, beschaulicher, ruhiger und intimer. Während der Besichtigung der Wohnhäuser haben wir den Eindruck, als könne jederzeit einer der Bewohner auftauchen und uns wegen der Ruhestörung seines Hauses verweisen.

Die Häuser stehen hier dichter als in Pompeji, sind jedoch noch prächtiger ausgeschmückt als dort. Vielleicht sind sie aber auch nur besser erhalten. Es gibt wundervolle Mosaiken als geometrische Muster und als Szenen aus dem täglichen Leben zu bewundern. Uns allen gefällt es hier noch besser als in Pompeji.

Das Latschen durch Pompeji und Herculaneum hat angestrengt, besonders bei der mediterranen Hitze. Da fällt uns auf, dass Kai immer stärker humpelt. Was ist passiert? Für einen Wanderer eine kleine Katastrophe! Kai hat anstatt Wanderschuhe alte Motorradschuhe seines Vaters mitgenommen, ohne sie vorher auch nur ein einziges Mal eingelaufen zu haben. Das, was er an seinen Füßen vorfindet, sind keine Blasen, sondern offene Wunden. Hätte er doch früher etwas gesagt. So bangen wir, dass seine Füße bis zum Stromboli-Aufstieg wieder einsatzfähig sind.

Gegen 18 Uhr beenden wir unseren Besuch von Herculaneum und fahren zurück nach Napoli.

Am Abend besuchen wir eines der hübschen Restaurants mit zur Straße hin offener Terrasse an der Uferpromenade der Via Caracciolo. Kai hat sich mit dicken Pflastern und den Wandersandalen von Timm beholfen. Es klappt leidlich. Ich wusste bisher nicht, dass es Wandersandalen gibt, ich dachte, das sei ein Widerspruch in sich.

Später lassen wir auch den heutigen Tag auf unserer Hotelterrasse bei Bier und Wein angenehm ausklingen.

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