Rainer Olzem - arge-geologie.de

Die Phlegräischen Felder

von Jan und Rainer

Phlegräische Felder (Aufnahme von der ISS, Quelle: Wikipedia)

Heute wollen wir uns mutig dem aktiven europäischen Supervulkan - der Mondlandschaft der Phlegräischen Felder - nähern und die Stadt Pozzuoli und die Solfatara besichtigen.

Die Stadt Pozzuoli liegt in der Region Kampanien westlich von Neapel und zählt rund 80.000 Einwohner. Die Stadt wurde 531 v. Chr. von griechischen Kolonisten aus Samos, die vor der Tyrannei des Polykrates geflohen waren, unter dem Namen Dikaiarcheia, was "Gerechte Regierung" bedeutet, gegründet. Im Jahre 194 v. Chr. wurde die Stadt eine römische Kolonie und nannte sich nach den heißen Quellen fortan Puteoli "Kleiner Brunnen". Die heißen Quellen wurden bereits in der Antike als Heilbäder genutzt. Um 1220 verfasste Petrus von Ebulo ein Lehrbuch über die Heilwirkung dieser Quellen.

Die antiken Säulen auf dem Macellum von Pozzuoli (Quelle: Norbert Nagel/Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Der vulkanisch geprägte Ort, den wir um zwölf Uhr erreichen, ist das wichtigste Zentrum der Phlegräischen Felder. In der Mitte der Stadt liegen die Ruinen des Macellum, eines altrömischen Marktes aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. im Bereich des antiken Hafens. Das Macellum wird auch Serapis-Tempel genannt, weil dort die Statue der ägyptischen Gottheit Serapis gefunden wurde.

Etwa 4 m unterhalb des heutigen Geländeniveaus und rund 2 m unter dem aktuellen Meeresspiegel stehen drei antike Säulen, die ab einer Höhe von 3,6 m nach oben hin ein 2,7 m breites Band von Löchern mariner Bohrmuscheln aufweisen. Diese Löcher der Bohrmuscheln sind Beweis dafür, dass sich das Gelände seit Errichtung der Säulen mehrfach gesenkt und gehoben hat, so dass die Säulen zeitweise unter Wasser lagen. Die Ursache dieser Bewegungen - über die Zeiten gab es Schwankungen von rund 12 m - ist der hier überall tätige Vulkanismus. Die Hebungen und Senkungen erfolgten zeitweise ausgesprochen abrupt: Als im Jahr 1538 wenige Kilometer westwärts von Pozzuoli der Vulkan Monte Nuovo entstand, hob sich der Boden in nur 2 Tagen um 6 m. Auch in den zwei Jahren von 1984 bis 1986 wurde eine Hebung des Untergrunds um 1,8 m beobachtet.

Die Phlegräischen Felder - italienisch Campi Flegrei = brennende Felder - liegen wenige Kilometer westlich von Neapel auf dem Stadtgebiet von Pozzuoli. Der riesige Supervulkan mit mehr als 50 bekannten Ausbruchzentren, die teilweise auch unter Wasser im Golf von Pozzuoli liegen, bedeckt eine Fläche von rund 150 km². Die ganze Gegend ist höchst instabil, auch heute noch hebt und senkt sich stetig der Boden. Die Küstenlinie ist zwischen dem 2. Jahrhundert v. Chr. und dem 11. Jahrhundert n. Chr. um rund 12 m abgesunken und hat sich danach bis zum 17. Jahrhundert wieder um 8 m gehoben. Später sank sie wieder um 5 m, bis sie das heutige Niveau erreichte.

Die vulkanische Aktivität der Phlegräischen Felder kann in 3 Perioden unterteilt werden:

Die 1. Periode der Tätigkeit des Supervulkans begann in der erdgeschichtlichen Zeit des Oberen Pleistozäns zwischen 127.000 und 11.800 Jahren mit der Entstehung eines großen Stratovulkans. Nach einer längeren Ruhepause stieg der Gasdruck in der Magmakammer an, bis schließlich heftige Eruptionen stattfanden und die grauen Tuffe von Campania abgelagert wurden. Durch die Entleerung der Magmakammer stürzte der Krater ein und bildete eine riesige Caldera von 14 km Durchmesser.

Die 2. Periode ist charakterisiert durch wechselnde vulkanische Tätigkeiten, es entstehen kleinere und größere Stratovulkane am Rand der Caldera und es bilden sich Kraterseen. Als der Druck in der Magmakammer stärker wird, setzt eine explosive Phase ein, die große Aschemengen, die gelben Napolitanischen Tuffe, auswirft. Das Alter der Tuffe wurde nach der C14-Datierung mit 10.000 Jahren bestimmt. Die 2. Periode endet mit einer Absenkung des Gebietes und führt zur Entstehung der Phlegräischen Caldera.

Die 3. Periode beginnt nach einer längeren Ruhepause mit der Bildung neuer Vulkane, heftige und ständige Explosionen führen zur Bildung des Kraters der Solfatara. Ab etwa 1.500 v. Chr. entstehen weitere Krater, bis die Tätigkeit der Phlegräischen Felder schließlich mit dem Ausbruch des Monte Nuovo im Jahre 1538 vorerst endet.

Die Solfatara von Pozzuoli (Quelle: Norbert Nagel/Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0)
Gasaustritte im Krater der Solfatara (Quelle: Norbert Nagel/Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Um halb zwei erreichen wir die Solfatara auf dem Stadtgebiet von Pozzuoli. Die Solfatara ist ein großer Vulkankrater mit einem Durchmesser von 770 m, er besitzt an drei Seiten sehr steile Wände und ist nach Süden zum Golf von Neapel hin offen. Die weiße Kraterfläche mit steilen Böschungen und gelben Schwefelablagerungen ist stellenweise sehr heiß. Auf den Boden geworfene Steine erzeugen einen deutlich hohlen Klang, große Brocken verursachen sogar Schwingungen des Bodens, die man auch noch in ca. 10 m Entfernung spüren kann.


Überall gibt es Schwefelausblühungen, manchmal auch mit kleinen Dampfaustritten. Wir sehen Dampfaustritte mit rötlich-gelben Ausblühungen und ein großes Loch mit blubberndem Schlamm. Im Krater befindet sich auch eine altertümliche Sauna aus der Römerzeit, die damals die natürliche Erdwärme und die Dampferzeugung nutzte.

Dampfaustritte und ...
Schwefelausblühungen in der Solfatara
Die antike römische Sauna (Quelle: Norbert Nagel/Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Und wir testen mit einer brennenden Zigarette den sogenannten Solfataren-Effekt, der von Walter Medwenitsch treffend beschrieben wird:

"Schon zieht uns ein neues Phänomen an: Die auffällige Steigerung der Dampfförderung bei Annäherung einer brennenden Zigarette, eines brennenden Zündholzes oder eines brennenden Stückes Papier an die Dampfquelle. Die verstärkte Tätigkeit ist nur eine scheinbare, da die Quelle während des Versuchs nicht mehr Dampf fördert als sonst, nur die geförderte Dampfmasse wird zu erhöhter Tröpfchenbildung gereizt und besser sichtbar. Die Ursache dürfte also in vermehrter Kondensation liegen, da Rauch oder Staubpartikel als Kondensationskerne wirken; dazu kommt noch, dass die Luft in der Nähe der Flamme ionisiert wird, so dass die Wirkung durch die Gegenwart elektrisch geladener Teilchen wesentlich gesteigert wird."
(Prof. Dr. Walter Medwenitsch: Zur Geologie der süditalienischen Vulkane - Exkursionsführer, Mitt. Geologische Gesellschaft Wien, 59. Band, 1966, Heft 1)

Vergeblich suchen wir die sogenannten Hundsgrotte, später hören wir, dass sie nach dem 2. Weltkrieg zugemauert wurde und nicht mehr zugänglich ist. In der Hundsgrotte tritt durch vulkanische Aktivitäten Kohlenstoffdioxid aus, das sich wegen der höheren Dichte am Boden sammelt. Die extrem hohe Konzentration von rund 70% CO² am Höhlenboden verdrängt Sauerstoff und führt für kleine Tiere wie Hunde, die sich im Bodenbereich aufhalten, zum Erstickungstod. Von diesem Phänomen soll sich der Name der Grotte ableiten.

Am 12. September 2017 ereignete sich auf der Solfatara ein tragischer Unfall. Ein kleiner Junge und seine Eltern verunglückten tödlich, als der elfjährige Lorenzo in eine ungesicherte Bodenspalte rutschte und beim Versuch, ihr Kind zu retten, auch beide Eltern ums Leben kamen. Seitdem ist der Zugang für Besucher gesperrt. Die Staatsanwaltschaft hat den Betreiber der Solfatara wegen 3-fachen Mordes angeklagt. Die Wiedereröffnung der Solfatara für Besucher ist für 2020 geplant, sie wird über www.solfatara.it mitgeteilt.

Auf zum Stromboli

Kurz nach 15:00 Uhr stärken wir uns in einem Restaurant am Rand von Napoli mit, na was schon: mit Pizza. Danach hängen wir erst mal zwei Stunden herum, bis wir um 18:00 Uhr zum Hafen fahren, dort soll an der Mole 16 das Schiff nach Stromboli ablegen. Timm und Kai bleiben an der Mole und bewachen unser Gepäck, Jan und Rainer betanken unser Auto und bringen es zur Autovermietung zurück. Die Rückfahrt zum Hafen mit einem Taxi wird zum aufregenden Erlebnis, der Fahrer ist ein echter Profi. Im geregelten Deutschland hätte er allein auf dieser Fahrt genügend Punkte gesammelt, um seinen Führerschein sofort abzugeben.

Um 19:45 Uhr entern wir die Fähre nach Stromboli und um 21:00 Uhr nehmen wir Abschied von Napoli. Auf der Fähre gibt es keine Kabinen und keine Schlafgelegenheiten, nur Sitzbänke. Da wir auf den harten Bänken eh nicht schlafen könnnen, unterhalten wir uns fast die ganze Nacht über die eindrucksvollen Erscheinungen der Phlegräischen Felder und über die gewaltige thermische Energie, die dort im Untergrund steckt. Der Supervulkan ist ein gigantisches Energiereservoir, das man vielleicht energetisch nutzen könnte? Also diskutieren wir die Möglichkeiten geothermischer Energiegewinnung.

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