Rainer Olzem - arge-geologie.de

Vom Monte Spagnolo über den Monte Santa Maria zum Monte Nero

von Timm

Auf dem Weg zum Monte Spagnolo

Heute ist unser letzter Exkursionstag. Wir stehen um 7:00 Uhr auf und jeder ist bemüht, in die einzige gemeinschaftliche Dusche zu gelangen. Es gibt unten zwar noch ein zweites Bad, aber da hinein lässt der Wirt Michele Gäste nur im Notfall. Die Hütte ist mit 8 Gästen voll besetzt und das Duschwasser ist spätestens nach dem zweiten Benutzer kalt. Aber um 8:00 Uhr sitzen dennoch alle warm und kalt Geduschten beim Frühstück.

Um 9:00 Uhr starten wir vom Rifugio Brunek in Richtung Linguaglossa. Es geht immer nur den Berg hinab. Als wir in Linguaglossa ankommen, steht auf dem Display unseres Benz ein Verbrauch von 2,5 Litern Diesel auf 100 km. In der Stadt decken wir uns mit Proviant ein, denn am Berg gibt es dazu keine Gelegenheit und wir werden erst am späten Nachmittag zurück sein. Von Linguaglossa fahren wir wieder ein Stück den Berg hinauf und biegen dann rechts in eine kleine Straße Richtung Maletto und Bronte ab. Die Straße verläuft etwa 2 km südlich parallel der SS 120 auf etwa 850 m Meereshöhe. Es ist eine wunderschöne Straße, rechter Hand gibt sie den Blick frei in das Alcántara-Tal, linker Hand ist stets der Gipfel des Ätna im Blick. Vor allem im Frühjahr trägt hier die Vegetation eine unglaubliche Farbenpracht.

Nach etwa 12 km Fahrtstrecke biegt links eine schmale Straße bergwärts ab, die kurvenreich zu einer Forsthütte in 1.142 m Höhe führt. Dort stellen wir den Wagen ab und beginnen unsere Wanderung an der Nordflanke des Ätna. Der gut ausgebaute Weg steigt in weiten Biegungen allmählich an. Am Wegesrand sehen wir hin und wieder Steinhaufen zur Wegbefestigung. Es sind Andesite, jüngere Ergussgesteine, in deren feinkörniger hellgrauer Matrix schwarze Pyroxen- und gelbgrüne Olivin-Einsprenglinge gut zu erkennen sind. Auf halbem Weg zwischen Forsthütte und Monte Spagnolo queren wir ein erstes Mal die schwarze Aa-Lava von 1981. Wie ein wilder Strom mit Prall- und Gleithängen zieht sich die Lavazunge vom Berg hinab auf das Städtchen Randazzo im Alcántara-Tal zu. Die Lava ist kaum verwittert, noch nicht bewachsen und scheint gerade erst ausgeflossen zu sein.

Welche Aufregung muss am 17. März 1981 unter den Bewohnern von Randazzo und den umliegenden kleineren Orten geherrscht haben! Kurz vor 14:00 Uhr riss an der Nordwestflanke des Berges in 2.250 m Höhe eine Spalte auf, aus der bis zu 200 m hohe Lavafontänen in die Höhe schossen. Bis 18:00 Uhr desselben Tages hatten sich hangabwärts drei neue Spalten geöffnet. Aus der unteren, östlich des Monte Pomiciaro in 1.800 m Höhe gelegenen Spalte, trat ein mächtiger Lavastrom aus, der in nur vier Stunden 5 km zurücklegte und dabei Obstgärten, Weinpflanzungen und mehrere Landhäuser zerstörte. Am nächsten Morgen unterbrach der Lavastrom die Straße SS 120 und die Eisenbahngleise und wälzte sich knapp an der kleinen Ortschaft Montelaguardia vorbei, dessen 250 Einwohner bereits in Sicherheit gebracht worden waren. Erst am 19. März kam die Lava um 11:00 Uhr am Ufer des Alcántara-Flusses zum Stehen.

Am gleichen Tag rissen gegen 11:30 Uhr mehrere Spalten bis hinab in 1.300 m Höhe auf, aus denen ein Lavastrom austrat, der die Stadt Randazzo bedrohte. Und gegen 22:00 Uhr bildeten sich weitere Spalten in geringeren Höhen, die einen nur kurzen Strom zähflüssiger Lava lieferten.

Die Eruptionsspalten wie auch der Haupt-Lavastrom erreichten eine Länge von 7,5 km. Eine 6 km² große Fläche wurde von 30 - 35 Millionen m³ Lava überflutet, wobei die Effusionsrate 58 - 70 m³ pro Sekunde betrug. Dem Ausbruch zwei Tage vorangegangen waren zahlreiche kleinere Erdbeben, so genannter Tremor, und einige starke lokale Beben. Während des Ausbruchs war der Zentralkrater in heftiger explosiver Tätigkeit. Besonders ungewöhnlich war der Ort dieses Paroxysmus, denn von den 90 exakt lokalisierten historischen Ausbrüchen hatten sich bisher nur drei an der Nordwestflanke des Ätna ereignet. Und der letzte Ausbruch war bereits 216 Jahre her.

Die Aa-Lava von 1981
Eine Dagala (von Lava umflossene Vegetationsinsel) in der Lava von 1981
Lichtdurchfluteter Buchenwald am Monte Spagnolo

Kurz vor dem Monte Spagnolo treten wir in einen stattlichen Hochwald ein mit altem Buchenbestand. Die Lava, auf der der Wald steht, stammt aus der Antike, ist also vielleicht 2.000 Jahre alt. An der bergseitigen Wegböschung haben Forstarbeiter und die Erosion ein schönes Bodenprofil freigelegt. Rainer erläutert kurz die typische Horizontabfolge eines Bodens von unten nach oben. Das unveränderte Ausgangsgestein, hier die antike Aa-Lava, bildet den C- Horizont des Bodenprofils. Darüber liegt der Anreicherungshorizont oder Unterboden genannte B- Horizont, in dem sich aus dem darüber liegenden A- Horizont ausgewaschene Stoffe anreichern. Der A- Horizont heißt denn auch Auswaschungshorizont oder Oberboden. Hier handelt es sich um einen Ah- Horizont, um einen humushaltigen Oberboden, der hier allerdings nur sehr dünn ist. Ganz oben liegt die organische Auflage in Form von Buchenblättern, Bucheckern und Ästen, der so genannte O- Horizont.

Am Beginn der Bodenbildung steht also ein festes Ausgangsgestein in Form der Lava. Durch physikalische Verwitterungsprozesse, z. B. durch Temperaturschwankungen, gefrierendes Wasser und den Kristallisationsdruck im Wasser gelöster Salze, kommt es im Laufe vieler Jahre zu einer Zermürbung und Zerkleinerung des Ausgangsgesteins. Chemische Verwitterungsprozesse, z. B. durch im Wasser gelöste Kohlensäure und andere chemische Stoffe, und biologische Verwitterungsprozesse durch die Tätigkeit von Pflanzen, Tieren und Menschen, bilden schließlich einen fruchtbaren Boden. Dieser Prozess dauert auf dem Ausgangsgestein Lava jedoch viele viele Generationen. Der dünne Ah-Horizont an unserer Wegböschung wäre für eine landwirtschaftliche Nutzung noch immer nicht geeignet.

Das Rifugio di Monte Spagnolo
Der Doppelkegel des Monte Spagnolo

Am Fuß des Monte Spagnolo liegt mitten im Wald in 1.440 m Meereshöhe ein alter verfallener und verlassener Bauernhof, die Casermetta. Im Sommer und im Herbst weiden hier Kühe die saftigen Kräuter der Waldlichtungen ab, zu Beginn des Winters werden die Tiere wieder ins Tal abgetrieben. Das Ganze erinnert an einen Almhüttenbetrieb, nur eben auf sizilianisch. Direkt gegenüber dem Hof steht ein kleines Rifugio, das Rifugio di Monte Spagnolo, das in den letzten Jahren jedoch geschlossen wurde. 2003 hat die Forstverwaltung etwa 100 m daneben ein neues kleines Gebäude aus Lavastein und Holz errichtet, das zur Zeit ebenfalls verschlossen ist. Auf einer Holzbank vor der alten Hütte machen wir kurz nach 11:00 Uhr eine frühe Mittagsrast.

Auf unserem weiteren Weg zum Monte Santa Maria queren wir den Lavastrom von 1981 auf größerer Höhe ein zweites Mal. Steil zieht sich der in die Lava getretene Pfad einen vom Berg herab laufenden Rücken hinauf. Es ist ein langer einzelner Lavastrom, unter dem sich ein Lavatunnel befindet, aus dem viele aneinander gereihte Hornitos herausragen.

Am Ätna gibt es jede Menge Lavatunnel. Solche riesigen Tunnel wie auf der Kanareninsel Lanzarote, in denen Restaurants betrieben und Konzerte gegeben werden, gibt es hier zwar nicht, jedoch sind viele kleine und mittelgroße Tunnel bekannt. Ein Lavatunnel entsteht, wenn ein basaltischer Lavastrom an seiner Außenseite durch die Luft abkühlt, die Lava im Inneren des Stroms aber keinen Kontakt zur kühlenden Luft hat, ihre hohe Temperatur behält und im Inneren des Stroms weiter fließt. Wenn dann keine neue Lava mehr nachkommt, leert sich der Innenraum des Stroms und es bleibt ein Hohlraum zurück.

Einem Lavastrom können kleine Schlackenkegel, oft in Reihe, aufsitzen, die so genannten Hornitos. Hornito bedeutet im Spanischen kleiner Ofen. Wer je einen Hornito in Aktion gesehen hat, der kann sich keinen treffenderen Namen vorstellen. Der Blick in einen aktiven Hornito gleicht dem Blick in einen Schmelzofen der Eisenhütten-Industrie. Hornitos entstehen, wenn aus einem Lavastrom aufsteigende Lava durch die bereits erstarrte Kruste nach oben gepresst wird. Hornitos sind in der Regel nur wenige Meter hoch und haben oft recht steile Flanken, so dass sie Türmchen gleichen. Man nennt einen Hornito einen wurzellosen Schlackenkegel, weil er nur von dem darunter fließenden Lavastrom gespeist wird, nicht von einem tief reichenden Schlot.

Am Rand des Lavastroms von 1981

Wir haben das breite Lavafeld von 1981 überquert und erreichen die Kontaktzone der Lava mit dem Wald. Hier liegen überall ausgebleichte Baumstämme wie weiße Gerippe, meist parallel zur Fließrichtung der Lava. Es sind ehemalige Pappeln, die ein Raub des Glutstroms wurden. Nur die Blätter und die kleineren Äste der Bäume sind verbrannt und verkohlt und damit in alle Winde verstreut, die dicken Stämme sind erhalten geblieben.

Weiter geht es durch einen alten Hochwald, der auf der Lava von 1614 bis 1624 wächst. Wir erreichen den Monte Santa Maria, einen alten Adventivkegel, und kurz danach das Rifugio di Monte Santa Maria, etwas höher rechts am Weg gelegen. Über den Monte Santa Maria werden wir noch auf dem Rückweg berichten. Die Hütte lassen wir rechts liegen; sie ist in der Regel verschlossen und draußen vor der Hütte gibt es keine Sitzgelegenheiten für eine Rast.

Der Hochwald endet und wir betreten ganz erstaunt ein riesiges Lavafeld, das sich in etwa 1 km Breite vor uns aufspannt. Die Lava stellt sich hier in geradezu künstlerischen Formen dar, es gibt glatte Oberflächen, Kissen und kunstvoll gelegte Stricke und Wülste. Immer wieder treffen wir auf neuen Formenreichtum. Es ist vermutlich die Lava dell Passo dei Dammusi, eine Pahoehoe-Lava, die wir zeitlich nicht einordnen können. Vielleicht ist sie aus dem 17. Jahrhundert, vielleicht ist es aber auch die Lava von 1947. Der laterale überwiegend effusive Ausbruch von 1947 war nach Norden gerichtet und hatte einen schmalen, knapp 7 km langen Lavastrom zur Folge. Wir werden der zeitlichen Einordnung noch nachgehen.

Zwischen dem Monte Santa Maria und dem Monte Nero

Sobald das aus der Tiefe aufsteigende Magma die Erdoberfläche erreicht und dort ausfließt, wird es als Lava bezeichnet. Nach der Beschaffenheit ihrer Oberflächen werden zwei Typen von Lava unterschieden, die Aa-Lava und die Pahoehoe-Lava. In welcher Form die Lava erstarrt, hängt vor allem von der Viskosität, der Temperatur und dem Gasgehalt der Schmelze ab. Aa-Lava entsteht auf langsam fließenden Lavaströmen, deren dicke Kruste in raue und scharfkantige Blöcke zerbricht, die Faustgröße bis Hausgröße erreichen können. An der Front eines langsam fließenden Lavastroms kann sich das lockere Blockwerk lösen und klirrend und polternd vor der Front her geschoben werden. Die bizarre Aa-Lava ist schwer passierbar, weil die Blöcke im Allgemeinen ein lockeres und instabiles Haufwerk bilden. Im Inneren des Lavastroms erstarrt die Schmelze zu einem massigen Gestein, bedingt durch die langsamere Abkühlung. Das Wort Aa-Lava soll aus dem Hawaiianischen stammen und den Schmerzlaut Aua bezeichnen. Es tat also weh, mit nackten Füßen Aa-Lava zu betreten. Am Ätna sind die Laven überwiegend als Aa-Laven ausgebildet.

Das nach einem polynesischen Wort als Pahoehoe-Lava bezeichnete vulkanische Ergussgestein wird auch Wulst-, Schollen-, Fladen-, Strick-, Seil- oder Kissenlava genannt. Die Oberflächen von heißen, dünnflüssigen und gasarmen Laven überziehen sich mit einer Erstarrungshaut, die bei der weiteren Bewegung der Lava gerunzelt, gewellt und zusammen geschoben wird. Oft gleicht die Pahoehoe-Lava einem Teppich nebeneinander liegender Stricke oder Seile, manchmal hat sie aber auch Kissenform und eine glatte glänzende Oberfläche. Die am Ätna nur selten vorkommende Pahoehoe-Lava ist aufgrund ihrer relativ glatten und festen Oberfläche angenehm zu begehen.

Die vulkanologische Meßstation in der Pahoehoe-Lava

Mitten in der Pahoehoe-Lava befindet sich unmittelbar links unseres Weges eine vulkanologische Messstation. Hier machen wir eine kurze Pause, damit Jan die Eindrücke der atemberaubenden Lava-Landschaft auf seinen Film bannen kann. Die Möglichkeiten der Vulkanüberwachung hatten wir bereits im Bericht über die Besteigung des Vulcano vorgestellt.

Nicht weit hinter der Messstation liegt die Grotta dei Lamponi als typischer Lavatunnel bergseits an unserem Weg, der den Monte Santa Maria mit dem Monte Nero verbindet. Die Höhle ist zwar an der Weggabelung zu den tiefer am Berg liegenden Grotten Grotta delle Femine und Grotta delle Palombe ausgeschildert, ist man jedoch erst einmal auf dem Hang in der formenreichen Pahoehoe-Lava, so muss man den Eingang mühsam suchen. Nur etwa 100 m bergwärts finden wir schließlich das Eingangsloch zu ebener Erde. Der Tunnel läuft radial auf den Gipfelbereich zu und misst mehr als 5 m im Durchmesser. Die Länge des Lavatunnels können wir nicht erkunden, in der absoluten Dunkelheit versagen unsere Taschenlampen.

Einstieg zur Grotta dei Lamponi

Wir gehen weiter in Richtung Monte Nero, der schon von fern über die Baumwipfel ragt. Der Weg zieht sich lang hin.

Kurz vor dem Anstieg zum Monte Nero passieren wir linker Hand eine neue vulkanologische Messstation, die erst im vorigen Jahr errichtet wurde.

Wir steigen auf schmalem Pfad zunächst flach, dann immer steiler durch die Aa-Lava den schwarzen Berg hinauf.

Wir passieren vorsichtig einen lang anhaltenden tiefen Riss in der Lava. Unser Weg kreuzt ihn im rechten Winkel. Der Riss ist weniger als einen halben Meter breit, seinen Boden können wir nur erahnen. So weit wir sehen können, zieht er sich radial zum Monte Nero hin. Solche tiefen Risse entstehen durch die Schrumpfung der heißen Lava bei ihrer Abkühlung.

Die Bombe
Der Monte Nero

Kurz danach kommen wir an einer riesigen Bombe vorbei. Sie hat die Idealform einer Bombe und Timm will sie unbedingt mit nach Aachen nehmen. Mit viel Mühe können wir ihm diesen Versuch ausreden. Nun ja, die Bombe wird so ihre 25 bis 30 Tonnen wiegen! Aber wir vier besitzen sie und machen auf ihr eine kurze Rast. Vulkanische Bomben erhalten ihre typischen aerodynamisch bedingten geschwänzten oder gedrehten Formen aufgrund ihres noch weitgehend plastischen Zustands beim Flug durch die Luft.

Dann haben wir den Monte Nero zur Hälfte umrundet, queren einen Grad und sehen in der Ferne das Meer und auf den Hügeln im Dunst die Stadt Taormina. Kai scheint körperlich nicht ausgelastet, will heute noch 2.000 Höhenmeter erreichen und rennt im Eiltempo den Monte Nero an.

Der 2.049 m hohe mächtige Parasitärkegel des Monte Nero an der Nordost-Flanke des Ätna, auch Monte Nero settentrionale genannt - nicht zu verwechseln mit dem Monte Nero an der Südflanke - ist 1646/47, genauer zwischen dem 20.11.1646 und dem 17.01.1647 während eines kräftigen Lateralausbruchs entstanden. Er trägt seinen Namen wegen der schwarzen Asche, aus der er besteht. An seinem Nordost-Fuß gibt es eine lange eindrucksvolle Kette von Hornitos zu bewundern, die durch einen ehemaligen Lavatunnel miteinander verbunden sind. Die Reihe der kleinen und großen Hornitos zieht sich über einen Kilometer den Hang hinunter auf die Ortschaft Solicchiata zu. Manche Hornitos sind zum Teil wieder verfallen, andere zeigen aber noch imposante Tiefen. An einigen Stellen ist zu erahnen, dass der Lavatunnel noch vorhanden ist. Die Lava von 1646/47 wird zu beiden Seiten von jüngeren Laven aus den Jahren 1911 und 1923 eingefasst.

Von der Lava verbrannte Bäume

Direkt südlich des Monte Nero liegt die Ebene des Piano Provenzana und dazwischen die neue Lava von 2002, die das einst blühende Piano Provenzana zur Lavawüste gemacht hat. Es ist ein breites Lavafeld aus Aa-Lava mit steilem Außenrand. Ein Abstieg zum Piano Provenzana wie früher ist nicht möglich. Gut zu erkennen sind noch die 5 Ausbruchstellen von 2002, einigen entweichen immer noch Dämpfe. Die Eruption von 2002 haben wir in dem Bericht Rund um den Ätna schon kurz beschrieben. Überall auf der nach Nordosten geneigten Ebene zwischen Monte Nero und dem steilen Rand der Lavazunge liegen frische Aschen und frische Schweißschlacken, dazwischen alte und neue vulkanische Bomben. Die wenigen Baumgruppen sind abgestorben, ihre Stämme und Äste ragen wie weiße Gerippe in den Himmel. Und der verdunkelt sich immer mehr. Es kommt ein leichtes Gewitter auf. Wir machen eine Rast im Regen.

Auch Timm hat inzwischen der Ehrgeiz gepackt, auch er will wie Kai die 2.000 Höhenmeter überschreiten. Er sucht in der Karte nach dem passenden Berg und spurtet auf 2008 m. Wir machen uns Sorgen, weil Kai immer noch nicht vom Berg zurück ist. In der Zwischenzeit hatten wir ihn kurz gesehen, als er in großer Höhe durch die lose Asche auf dem Hosenboden hinab rutschte. Dann ist er in irgendeiner Senke verschwunden. Als er dann doch auftaucht, erkennen wir ihn nicht wieder: verschwitzt und von oben bis unten mit schwarzer Asche bedeckt. Als er sein Hemd auszieht, ist er darunter genau so schwarz. Wir fürchten, dass die Dusche im Rifugio Brunek nicht so viel warmes Wasser hat, wie Kai zu seiner Säuberung benötigt.

Hohlform eines Baumstammes in der Lava

Nach kurzer Zeit kommt die Sonne wieder zum Vorschein, Jan macht viele Fotos von dieser schwarzen Mondlandschaft und den Baumgerippen. Gegen 16:00 Uhr machen wir uns auf den langen Rückweg. Beim Abstieg vom Westhang des Monte Nero macht Rainer die Exkursionsteilnehmer auf ein seltsames Phänomen aufmerksam. In der Lava führen an einigen Stellen kreisrunde Röhren senkrecht oder leicht schräg nach unten in den Boden. Die Röhren haben etwa 20 - 50 cm Durchmesser, sind oft so tief, dass wir den Boden nicht sehen und stehen meist gesellig zu mehreren zusammen. Die Erklärung: Es sind die Hohlformen ehemaliger Baumstämme. Die Lava hat die Bäume umflossen und ihre Kronen in Brand gesetzt. Die Rinde der Stämme verkohlte, während das Holz aus Mangel an Sauerstoff weitgehend erhalten blieb. Im Laufe der Zeit ging das Holz den Weg alles Organischen und nur die Hohlform als Zeuge des Geschehens blieb übrig.

Der 1.632 m hohe Monte Santa Maria ist sozusagen Rainers Schicksalsberg. Auf dem Rückweg vom Monte Nero bietet es sich einfach an, an seinem Nordhang abzusteigen und dadurch den Weg ein gutes Stück abzukürzen. Alle Wanderkarten verzeichnen einen Weg auf halber Höhe um ihn herum und einen direkten Abstiegsweg nach Norden. Rainer ist bisher acht Mal den Berg auf- und abgestiegen und hat sich jedes Mal mehr oder weniger heftig verlaufen. Denn einen direkten Weg hinab, so wie in der Karte verzeichnet, gibt es einfach nicht, auch wenn die deutlichen Pfade der hier heimischen schwarzen Pferde immer wieder Wege eindeutig vortäuschen. Das ist die Crux: Es sieht aus wie ein Weg und endet dann doch in der Macchia. Die Macchia wird immer dichter, man versucht rechts oder links die stark bewachsenen steilen Hänge aus brüchiger Lava hoch zu steigen und steckt immer tiefer in den Dornenbüschen. Obwohl ein zügiger Abstieg vielleicht nur 20 Minuten dauern würde, hat Rainer auch schon mal, ziemlich zerkratzt, 2 Stunden gebraucht. Und er fällt immer wieder auf diesen hinterhältigen Berg herein. Mit Hilfe von Jans GPS und unserem gemeinsamen Instinkt schaffen wir diesmal leidlich den Abstieg, zwar nicht auf der kürzesten Route, aber immerhin in akzeptabler Zeit. Der weitere Rückweg zieht sich elend lang hin, die ersten Klagen werden laut. Doch dann ist es vollbracht, wir treffen wieder an der Forsthütte ein. Gegen 19:30 Uhr erreichen wir unsere Unterkunft, das Rifugio Brunek.

Nach dem Abendessen halten wir einen kurzen Rückblick auf die letzten 14 Tage. Allen Teilnehmern hat die Exkursion sehr gefallen, alle waren zufrieden, besonders auch mit dem straffen Programm, das keine Langeweile aufkommen ließ und einen breiten Überblick gegeben hat über den Vulkanismus im Allgemeinen und den Vulkanismus Süditaliens im Besonderen. Einzige Kritik: in Zukunft vielleicht ein wenig weniger Kultur und mehr Geologie.

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