Rainer Olzem - arge-geologie.de

Tempeltag von Agrigento und Selinunte: Kultur pur

von Rainer und Jan

Valle dei Templi

Die Reste des Herakles-Tempels

Nach einem ausgiebigen italienischen Frühstück um acht Uhr im Grand Hotel Mosé starten wir um 9:20 Uhr zum Valle dei Templi. Um 10:00 Uhr erreichen wir den archäologischen Park bei Agrigento und sind überwältigt von der Größe und der Pracht der Tempel.

Der Herakles-Tempel ist der älteste an der südlichen Stadtmauer, er stammt aus der archaischen Zeit zu Beginn des 5. Jahrhunderts v. Chr. und ruht auf einem dreistufigen Unterbau. Sein Grundriss ist lang gestreckt mit 15 auf 6 dorischen Säulen. Marcus Tullius Cicero, der im Jahre 75 v. Chr. Quästor auf Sizilien war, berichtete von einer riesigen Bronzestatue des Herakles im Inneren des Tempels. Die Statue soll an den Lippen und am Kinn von den Berührungen der Pilger abgenutzt gewesen sein.

Der Tempel ist stark zerstört, seine Trümmer sind über das ganze Areal verstreut, darunter einige Kapitelle, die noch mit Stuck verkleidet sind, wie er einst den ganzen Tempel überzog. Die acht erhaltenen Säulen wurden 1924 restauriert und wieder aufgerichtet.

Der Concordia-Tempel

Der sogenannte Concordia-Tempel wurde etwa 440 bis 430 v. Chr. errichtet, er ist einer der besterhaltenen Tempel der griechischen Antike. Seine Namensgebung verdankt er einer in der Nähe gefundenen römischen Inschrift, die von der Entracht - lateinisch Concordia - der Einwohner von Agrigentum berichtet. Welcher griechischen Gottheit das Heiligtum damals geweiht war, ist nicht bekannt.

Der Tempel steht auf einem unebenen Untergrund und ist deshalb auf einem 3-stufigen Sockel errichtet, der die Unebenheiten des Geländes ausgleicht. Sein Grundriss entspricht der für Agrigento typischen Form der klassischen Zeit mit einer Säulenhalle mit 13 auf 6 Säulen auf einer Fläche von rund 39 x 17 m. Nach dem derzeitigen Stand der Forschung war der untere Teil des Tempels mit weißem Stuck verkleidet, Fries und Giebel waren farbig bemalt. Die Dachziegel waren aus Marmor.

Der Hera-Tempel

Der 460 bis 450 v. Chr. mit 16 auf 6 Säulen errichtet Hera-Tempel an der Südostecke des Hochplateaus liegt auf einem kleinen Hügel. Auch hier ist nicht bekannt, welcher Gottheit der Tempel damals gewidmet war. Er erhebt sich auf einem 4-stufigen Unterbau, der wie beim Concordia-Tempel zum Ausgleich des Geländes auf einem Sockel errichtet wurde.

Die Karthager zerstörten den Tempel 406 v. Chr. und im ersten Jahrhundert v. Chr. wurde er von den Römern wieder aufgebaut. Im 18. Jahrhundert begann die Wiederaufrichtung von 25 der ehemals 34 Säulen der Ringhalle. Eine am Boden liegende Säule besteht aus Muschelkalk, in dem viele Fossilien stecken.

Die äußerst bewegte Geschichte von Agrigento

Die Stadt Agrigento liegt auf einem langgestreckten Höhenzug

Um 582 v. Chr. gründeten griechische Siedler in der Nähe der Südwestküste Siziliens auf einem Hochplateau aus Kalkstein die Stadt Akragas. Der Tyrann Phalaris ließ später eine 12 km lange Stadtmauer entlang den Außenkanten des Plateaus errichten, die eine Fläche von 4,5 km² einschloss. Neun zum Teil von Türmen flankierte Tore führten damals in die Stadt.

Im Nordwesten schließt sich an das Plateau ein langgestreckter Höhenzug an, auf dem in archaischer Zeit die Akropolis stand. In der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. wurden mehrere Tempel an der Südmauer errichtet, die den vom Meer kommenden Besuchern einen imposanten Eindruck vom Reichtum der Stadt vermitteln sollten.

In der Senke zwischen der Akropolis und der Südamuer entwickelte sich die Stadt, die von sechs Hauptstraßen in Ost-West-Richtung durchzogen wurde, die wiederum von zahlreichen Nebenstraßen rechtwinklig gekreuzt wurden. Außerhalb der Stadtmauern betrieben die Griechen Ackerbau, die Stadt verdankte ihren Wohlstand dem Anbau von Weizen, Öl- und Mandelbäumen und auch der Schafzucht.

Als die Karthager 409 v. Chr. eine Großoffensive gegen die griechischen Städte Siziliens begannen, wurde auch Akragas 406 v. Chr. erobert und zerstört.

Im ersten punischen Krieg wurde Akragas 261 v. Chr. von den Römern erobert und wieder einmal zerstört, seine Einwohner wurden in die Sklaverei verkauft. Im Jahre 255 v. Chr. wurde die Stadt von den Karthagern zurückerobert, was weitere Zerstörungen mit sich brachte. Endgültig unter römische Herrschaft kam Akragas schließlich 210 v. Chr. Die Römer benannten die Stadt in Agrigentum um und bevölkerten sie mit neuen Siedlern. Die Römer errichteten jedoch keine eigenen größeren Tempel, sondern bauten einige der während der Kämpfe zerstörten griechischen Tempel wieder auf und widmeten sie römischen Göttern.

Damit war die äußerst wechselhafte Geschichte von Agrigentum aber noch lange nicht beendet. Unter dem ersten römischen Kaiser Augustus entwickelte sich Agrigentum wieder zu einer wohlhabenden und bedeutenden Stadt. Beim Einfall der Vandalen ab 439 n. Chr. kam es erneut zu Zerstörungen. In byzantinischer Zeit entvölkerte sich die Stadt immer mehr und wurde zu einem unbedeutenden Dorf. Vor der Bedrohung durch die Araber, die zu Beginn des 8. Jahrhunderts Raubzüge nach Sizilien unternahmen, zogen sich die Bewohner schließlich aus dem antiken Stadtgebiet zurück. Als die Araber 829 n. Chr. Agrigentum eroberten, stand anstelle der antiken Stadt nur noch ein Dorf auf der ehemaligen Akropolis. Der von den Arabern Gergent genannte Ort entwickelte sich zu einem Zentrum der muslimischen Besiedlung Siziliens. Im Jahre 1087 wurde Gergent von den Normannen erobert und durch den Handel mit Nordafrika und durch die Landwirtschaft wiederum zu einer wohlhabenden Stadt.

Als dann der damalige König von Sizilien Friedrich II die Araber vertrieb, verlor die Stadt, jetzt in Girgenti umbenannt, ihre wirtschaftliche Bedeutung. Im Jahr 1927 nahm die Stadt schließlich den latinisierten Namen Agrigento an.

Um 11:20 Uhr versuchen wir, uns bei Eis und Mineralwasser in einem Cafe auszuruhen, was uns aber wegen der unglaublich vielen Touristen, die in immer mehr Bussen ankommen und einen Höllenlärm veranstalten, einfach nicht gelingen will. Also fahren wir weiter nach Selinunte, wo wir um halb drei ankommen und erstmal ein ruhiges Ristorante im Ortsteil Selinunte-Marinella aufsuchen.

Die archäologische Grabungsstätte Selinunte

Die Überreste des griechischen ...

Selinunte liegt auf dem Gebiet der Gemeinde Castelvetrano an der Südküste Siziliens unmittelbar am Mittelmeer. Die archäologische Fundstätte besteht überwiegend aus Überresten der alten griechischen Stadt Selinus, die im 7. Jahrhundert v. Chr. von dorischen Griechen gegründet wurde und in der Antike unter anderem auch aufgrund der fruchtbaren Böden eine der wichtigsten Städte Siziliens war. Davon zeugen die zahlreichen Tempel, die zu den bedeutensten griechischen Tempel Siziliens zählen. Weiterhin gibt es auch Ruinen aus der karthagischen Siedlungsphase.

Alle Bauten wurden im Laufe der Zeit durch Erdbeben zerstört, heute sind sie teilweise wieder aufgebaut, insbesondere der sogenannte Tempel E, dessen Rekonstruktion allerdings nicht dem aktuellen Forschungsstand entsprechen soll (Die Tempel in Selinunte sind mit den Buchstaben A bis G bezeichnet).

... Tempels E von Selinunte

Die Stadt Selinus war lange Zeit ein Verbündeter von Karthago, um sich Unterstützung gegen den Konkurrenten Segesta im Norden zu sichern. Die ewigen Konflikte zwischen den Städten Selinus und Segesta führten letztendlich zu einem Eingreifen der griechischen Großmächte Athen und Sparta, wobei im Jahre 409 v. Chr. Selinus zerstört wurde.

Die Stadt wurde von den Karthagern wieder aufgebaut und im ersten Punischen Krieg 250 v. Chr. von den Römern erneut zerstört. Damit endet die Geschichte von Selinunte.

Wir überlegen, ob wir anschließend noch die Tempel von Segesta, das rund 65 km nördlich von Selinunte liegt und in etwa einer Stunde zu erreichen ist, besuchen sollen. Wir stimmen ab und entscheiden uns für ein wenig weniger Kultur, dafür aber für mehr Geologie. Also lassen wir es für heute genug der Kultur sein und fahren weiter zu einer ganz besonderen geologischen Sehenswürdigkeit, zu den kleinen Schlammvulkanen bei Aragona, den Vulcanelli di Macalube.

Die Vulcanelli di Macalube bei Aragona

Etwa fünf Kilometer südlich von Aragona gibt es eine ganz besondere Art von Vulkanen, es sind die Vulcanelli di Macalube, die Schlammvulkane von Aragona.

Ein blubbernder runder Schlammvulkan ...
... und eine der größeren Erosionsrinnen
Ein kleiner Schlammfluss

Um 17:45 Uhr erreichen wir, von Selinunte kommend, die Vulcanelli di Macalube. Wir beobachten etwa 20 bis 25 einzelne Schlammaustritte auf einem relativ kleinen Plateau von vielleicht 100 x 100 m, einige Vulcanelli weisen sogar eine Kraterform wie echte Vulkane auf. Wir hören von allen Seiten ein stetiges und regelmäßiges Blubbern. Zum Rand des Plateaus hin gibt es viele Erosionsrinnen, die auf eine zeitweise stärkere Tätigkeit hinweisen. Alle Vulcanelli haben unterschiedliche Größen, der größte Krater hat einen Durchmesser von etwa 40 cm. Der geförderte Schlamm ist übrigens kalt und geruchlos.

Es ist aus dem Untergrund entweichendes Erdgas, hauptsächlich sind es Kohlenwasserstoffe in Form von Methan, das in den Schlammpfuhlen diese pseudovulkanischen Phänomene verursacht. Die Kohlenwasserstoffe entstammen porösen Sandsteinen im tieferen Untergrund, stehen gewaltig unter Druck und entweichen nach oben.

Bei einer plötzlichen unerwartet heftigen Schlammeruption im Jahr 2014, bei der Schlamm und Gase bis in 20 m Höhe geschleudert wurden, kamen zwei Kinder tragischerweise ums Leben, der Vater der Kinder konnte sich gerade noch retten. Danach wurde das gesamte Gelände für Touristen gesperrt. Heute ist jedoch ein Teil des Geländes wieder für den Tourismus geöffnet (Zone B).

Wir fahren zurück zum Hotel Mosé und nehmen unser Abendessen auf dem Zimmer ein. Es gibt heute nur Brote mit Käse und Salami, dazu Acqua minerale und natürlich darf ein kühles Bierchen nicht fehlen.