Rainer Olzem - arge-geologie.de

Salomon Kroonenberg: Der lange Zyklus - Die Erde in 10.000 Jahren (Leseprobe)

Die folgenden Texte sind Leseproben aus dem Buch „Der lange Zyklus“ von Salomon Kroonenberg, Professor für Geologie an der TU Delft. Das Buch war in den Niederlanden ein großer Verkaufserfolg und hat dort die Diskussion um den Klimawandel nachhaltig geprägt. Siehe auch unter Literatur/ Klima!

Die Bilder im Text sind im Buch nicht enthalten.

Das menschliche Maß (Auszug)

Als erste kehren die Birken zurück. Quelle: Kuratorium Wald (www.wald.or.at)
Unsere Vorfahren ziehen ihre Pelzmäntel aus und verspeisen die letzten Mammuts. Quelle: Insa Bauer, Steinzeitwissen, Loewe Verlag

Vor zehntausend Jahren nimmt der Frühling seinen Anfang. Die glitzernde Eiskappe, die Skandinavien bedeckt, schmilzt wie Schnee in der Sonne, und die Ostsee beeilt sich, die entstandene Lücke zu füllen. Der Meeresspiegel steigt rasch, und immer mehr Land, das in der Eiszeit trocken gelegen hatte, steht nun unter Wasser. Die Seehunde, die hunderdtausend Jahre lang – solange die Nordsee trocken war – vor der Küste Portugals überwintert hatten, schwimmen endlich wieder zurück zum Wattenmeer. Die Polwüste Nordwesteuropas färbt sich auf einmal grün. Insekten bringen Pflanzensamen in den Norden, und einer nach dem anderen kehren die Bäume aus ihrem warmen Asyl hinter den Alpen zurück: zuerst die Birke, dann die Kiefer, später die Eiche und schließlich die Buche. Es findet ein Wettlauf statt, wer am schnellsten ist: je leichter ihre Samen, desto eher am Ziel.

Unsere Vorfahren ziehen ihre Pelzmäntel aus, verspeisen die letzten Mammuts, und im immer grüner werdenden mittleren Osten findet man Wege, sich nicht immer wieder auf die Suche nach neuen Jagdgebieten und Fischgründen machen zu müssen. Man sät einige der schmackhaftesten Grassamen auf abgesteckten Landflächen aus und entdeckt schon bald, dass man auf diese Weise viel besser Nahrungsmittel produzieren kann als früher. Die Erfindung erobert Europe in hohem Tempo. Pflanzen, Tiere, Menschen – alle werden vom rasch wärmer werdenden Klima beeinflusst.

Jetzt herrscht Hochsommer. Wir Menschen haben uns zu einer erfolgreichen, allerdings sorgenvollen Art entwickelt. Das Klima ist so gut wie stabil, aber wir fürchten uns trotzdem davor, dass es in hundert Jahren ein Grad wärmer sein wird. Der Meeresspiegel steigt kaum noch, aber wie benehmen uns, als seien wir in Lebensgefahr. Durch die Erfindung der Landwirtschaft vor zehntausend Jahren könnten wir uns unbeschränkt vermehren, aber wir nehmen Pillen, um genau das zu verhindern. Wir sorgen uns um die Artenvielfalt der Pflanzen und Tiere um uns herum, obwohl die noch nie so groß war wie heute. Auf unseren Feldern stehen irakisches Getreide, mexikanischer Mais und Kartoffeln aus den Anden, und unsere Gärten sind voller Tulpen aus der Türkei und Rhododendren aus Madagaskar. Wir besitzen Aquarien mit tropischen Fischen und jede Menge exotischer Haustiere. Die Katastrophen, die uns treffen, machen uns Sorgen, aber viele dieser Katastrophen sind nur so katastrophal, weil wir auf Vulkanen gesiedelt haben, auf aktiven Brüchen, an absinkenden Küsten und in Flussauen, die überschwemmt werden können. Wir selbst haben die Wälder gerodet, so dass die Flüsse mehr Wasser mitführen müssen, wir selbst haben den Torf abgegraben, so dass das Land unter den Meeresspiegel zu liegen kam und das Meer ins Landesinnere dringen konnte. Wir sind Grübler geworden, voller Schuldgefühle.

Aber diese Schuldgefühle sind ein Luxus – ein Luxus, der nur der Tatsache zu verdanken ist, dass wir, ohne uns dessen bewusst zu sein, im Sommer leben. Die Natur ist uns wohl gesonnen im Hochsommer, so dass wir uns mit kleinen Klimaspitzen und fast unsichtbaren Kräuselungen in der Meeresspiegelkurve beschäftigen können. Denn wir messen die Natur nur mit unserem menschlichen Maß. Aber in zehntausend Jahren beginnt der Herbst. Dann ist Schluss mit der Euphorie. Dann kehren die Eiskappen wieder und der Meeresspiegel sinkt erneut. Dann müssen die Seehunde wieder nach Portugal zurück, die Rhododendren erfrieren im Garten und die Anti-Pelz-Aktivisten fliehen bis hinter die Alpen. Vulkane brechen aus mit einer Gewalt, die in der kurzen Menschheitsgeschichte noch nicht vorgekommen ist. Dann erst sehen wir, dass die Maßstäbe der Natur viel größer sind als das menschliche Maß.

Epilog (Auszug)

Ein erstaunliches Stückchen Demagogie

Versuchen Sie sich vorzustellen, was ein Klimaforscher in dreißig Jahren über die heutigen Modelle sagen wird. Dasselbe, was wir heute über diejenigen des Club of Rome von vor dreißig Jahren sagen: Na ja, die Modelle waren noch so grob, damit kann man wenig anfangen.

Warum dann ein Epilog? Mein Bestreben, die Aktualität auf Abstand zu halten, ist de facto missglückt, denn das Buch ist selbst Aktualität geworden. Daran Schuld sind der Orkan Katrina, der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore und das IPCC. Der Orkan Katrina setzte am 29. August 2005 New Orleans unter Wasser. Es brachen Deiche, die gebaut worden waren für Sturmfluten mit einer Wiederholungschance von einem Mal in fünfzig Jahren. Es war gewarnt worden, dies sei nicht ausreichend, doch die Prioritäten lagen wo anders. Die Parallele zum Ausbruch des Nevado del Ruiz ist frappierend. Niederländische Ingenieure reisten mitleidig lächelnd nach New Orleans, um den Leuten dort zu erzählen, wie man es richtig macht, denn unsere Deiche schützen uns immerhin vor Sturmfluten mit einer Wiederholungszeit von zehntausend Jahren. Aber Schuld war in erster Linie das extrem warme Meerwasser, sollte sich das Klima durch menschliches Zutun noch weiter erwärmen, würden ähnliche Katastrophen immer öfter auftreten. Viele, die bis dahin besorgt gewesen waren, wurden nun radikaler. Als ich in jener Zeit an einem Forum der Universität Löwen teilnahm, kam ein junger Mann aus dem Publikum auf mich zu, packte mich am Kragen und schrie mich an: Wissen Sie eigentlich, dass Sie bald für tausende von Toten verantwortlich sind? So emotional ist die Diskussion inzwischen geworden; schwierig, dann Distanz zu bewahren. Katrina wurde eins der Hauptthemen in dem Film An inconvenient truth von Al Gore.

Al Gore spornt in seinem Film die Menschheit dazu an, sparsam mit Energie umzugehen, denn der zunehmende Ausstoß von CO2 werde noch viel mehr unvorstellbare Katastrophen wie Katrina über uns bringen. Es ist eine schöne Dokumentation. Er ist ein hervorragender Dozent, seine Witze, seine Intonationen sind gut getimed und seine Überzeugungskraft ist so groß, dass man ein triumphales Gutmensch-Gefühl in sich aufsteigen fühlt bei der Anschaffung der ersten Energiesparlampe. Ist man aber nicht seiner Meinung, dann wird man lächerlich gemacht, dann ist man unmoralisch, ein Paria, und dazu möchte man nicht gehören. Ein erstaunliches Stückchen Demagogie. Die alarmierende Botschaft überspülte die Welt wie eine Flutwelle – sie ging runter wie Butter.

Aber An inconvenient truth steckt voller convenient lies. Das geht schon los mit der Geschichte des bedauernswerten Erdkundelehrers der 8. Klasse von Al Gores damaliger Schule. Der Lehrer ist das Beispiel für den dummen Klimaskeptiker, der selbst die offensichtlichsten Tatsachen nicht glauben will. Ein aufgeweckter Schüler (nicht Al Gore) fragt ihn: Afrika und Amerika – waren die früher mal zusammen? Das würde genau passen! – Aber woher denn, Junge, wie kommst du denn darauf! antwortet der Lehrer. Homerisches Gelächter im Kino – das weiß doch jeder! Und noch mehr Gelächter, als Al Gore erzählt, dieser Lehrer sei nun Präsident Buschs Berater. Groll wegen der verpassten Präsidentschaft ist ihm nicht fremd. Der Punkt ist: Als Al Gore zur Schule ging, war die Plattentektonik gerade erst entdeckt worden und daher nur wenigen bekannt. Nach der vorherrschenden Meinung jener Zeit lagen die Kontinente fest, und der Lehrer tat also nichts anderes, als den damaligen Wissensstand zu vermitteln.

Al Gore präsentierte seinen Film 2006, im Jahr nach Katrina, aber in diesem beinahe genau so warmen Jahr gab es weniger Wirbelstürme; einigen Stimmen zufolge gehören sie eher zur Kälte als zur Hitze, und 2007 erschien ein Artikel, der besagte, nicht das warme Meerwasser, sondern das besondere Windprofil über dem Golf von Mexiko sei die Ursache der zahlreichen Wirbelstürme 2005. Das IPPC konnte in seinem neuen Bericht von 2007 keinen Zusammenhang zwischen der globalen Durchschnittstemperatur und der Sturmfrequenz aufzeigen, allenfalls einen mit der Sturmintensität.

Der Eisbär hat sich so stark vermehrt, dass die Artenschutzkonferenz ihn nicht zu den bedrohten Arten zählt (Bild: Wallpaper zum Film).
Noch eine Theorie

Al Gore verweist auf den austrocknenden Aralsee, erwähnt aber nicht, dass man auf dem trockenen Seeboden ein mittelalterliches Mausoleum gefunden hat. Der Aralsee ist in den letzten zehntausend Jahren schon dreimal ausgetrocknet – durch natürliche Ursachen. Er lässt uns schmelzende Gletscher überall auf der Welt sehen, erwähnt aber nicht, dass unter den zurückweichenden Alpengletschern Reste von Wäldern aus der Römerzeit zum Vorschein kommen. Offensichtlich hatten sich die Gletscher schon früher so weit zurückgezogen – durch natürliche Ursachen. Er behauptet, das Klima sei in den letzten elftausend Jahren nahezu konstant gewesen, erwähnt aber nicht, dass sein Wohnort Washington D.C. vor elftausend Jahren noch am Rande der Eiskappe lag und dass in diesen elftausend Jahren der Meeresspiegel rund 50 m angestiegen ist. Durch natürliche Ursachen.

Warum tut er das? Weil er das CO2 als Ursache aller Klimaveränderungen darstellen will. Das Kohlendioxid ist in den letzten elftausend Jahren einigermaßen konstant geblieben, denn der größte Anstieg nach der Eiszeit hatte schon früher stattgefunden. Aber das Klima, der Meeresspiegel und die Ökosysteme verändern sich nicht eins zu eins mit dem CO2-Gehalt, und dies verschweigt er wohlweislich.

Er rühmt seinen Lehrer Roger Revelle und zeigt uns voller Stolz, wie einer von dessen besten Studenten (nicht Al Gore) in den Fünfzigerjahren systematisch den Anstieg des CO2-Gehalts gemessen hat. Aber er erwähnt nicht, dass, während der CO2-Gehalt in diesen Jahren anstieg, die globale Durchschnittstemperatur gleichzeitig sank. Er suggeriert auch, die Eiszeiten würden durch Veränderungen des CO2-Gehaltes gesteuert, während es natürlich anders herum ist: Die Eiszeiten werden verursacht durch die Milankovic-Zyklen, das Kohlendioxid folgt. Er ängstigt uns mit einem zukünftigen Meeresspiegelanstieg von sechs Metern, erwähnt aber nicht, dass im Interglazial zwischen den letzten beiden Eiszeiten der Meeresspiegel ebenfalls sechs Meter höher stand, ohne menschliches Zutun und bei einem CO2-Gehalt, der nicht höher war als im vorindustriellen Zeitalter.

Bei dieser Darstellung werden alle anderen natürlichen Prozesse, alle verzögerten Reaktionen, alle Rückkopplungsmechanismen, alle nicht linearen Elemente vernachlässigt, und es bleibt nichts anderes übrig als der Glaube, das Kohlendioxid sei der einzige Übeltäter. Kein Wunder, dass die Menschen beunruhigt sind, kein Wunder, dass sie denken, sie allein seien schuld am Klimawandel.

IPCC 1990
IPCC 2001 - 2007 (Hockeystick)

Ein Teil dieser alarmierenden Vorstellung geht auf die Rechnung des IPCC, insbesondere auf den hohen Stellenwert, den die hockeystick - Kurve im Third Assessment Report von 2001 bekommen hat. Die Kurve suggeriert, die globale Durchschnittstemperatur sei in den letzten tausend Jahren nahezu konstant geblieben und erst mit dem Beginn des Industriezeitalters angestiegen. Keine mittelalterliche Warmzeit, keine kleine Eiszeit lässt sich aus dieser Kurve ablesen, nur kleine Schwankungen um einen konstanten Mittelwert herum.

Es liegt auf der Hand, dass man dann denkt: Wenn wir kein Kohlendioxid mehr ausstoßen, kehrt das Klima von allein wieder zu seinem früheren Zustand zurück. Sechs Jahre war die hockeystick - Kurve der am meisten umstrittene Bestandteil des Berichts, und sechs Jahre hat sich das IPCC daran festgeklammert, dass der Hockeyschläger korrekt sei. Tausende von Klimawissenschaftlern des IPCC konnten sich nicht irren.

IPCC ab 2007
Temperaturänderungen in den letzten 17.000 Jahren aus Eisbohrkernen von Grönland (nach Prof. Don Easterbrook)

Es ist daher interessant, das Schicksal der hockeystick – Kurve im vierten Bericht des IPCC, herausgegeben im Jahr 2007, zu verfolgen. Sie ist aus der Summary for Policymakers verschwunden. Man findet nur noch einen verschämten Hinweis darauf, dass einige neuere Untersuchungen auf eine größere Variabilität in der Temperatur der Nordhalbkugel hinweisen, als im dritten Bericht behauptet wurde, insbesondere vom 12. bis 14. Jahrhundert, im 17. und im 19. Jahrhundert. Das IPCC hat die kleine Eiszeit entdeckt! Was tausende von Nicht-IPCC-Wissenschaftlern schon wussten, ist nun auch zu den Klimatologen durchgedrungen.

Und die neue Kurve im ausführlichen Bericht des IPCC von 2007 ist von einem Hockeyschläger zu einem knorrigen, krummen Ast mutiert. Michael Mann (Anm.: der Fälscher dieser Kurve) ist von der Liste der Autoren verschwunden. Die hockeystick – Kurve zeigte nicht ein man-made global warming, sondern ein Mann-made global warming.

Ende der Leseprobe

Das IPCC schlägt zurück

Hockeystick - Kurve eindrucksvoll bestätigt !

Hide the Decline

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Quelle: The Economist

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