Rainer Olzem - arge-geologie.de

Der Wasserplanet Teil 2 - Was ist Grundwasser?

Definition von Grundwasser - Die Wasserbewegung im Boden - Das Gesetz von Darcy

Abb. 1: Das australische Outback (gleich-wieder-da.de)

Die ganze Mitte Australiens ist eine einzige staubtrockene Wüste, eine riesige Fläche ohne Wasser. Die ganze Mitte? Nein, tief unter dem australischen Outback liegt das größte Süßwasservorkommen der Welt, das Great Artesian Basin (Großes artesisches Becken).

Das riesige Grundwasserreservoir erstreckt sich mit einer maximalen Länge von 2.400 km und einer maximalen Breite von 1.800 km über eine Fläche von mehr als 1,7 Millionen km², fast ein Viertel der gesamten Fläche des Kontinents.

An vielen Stellen tritt das Wasser artesisch aus, d. h. es dringt von allein an die Oberfläche aufgrund eines hohen Wasserdruckes im Untergrund, an anderen Stellen wird es mit Hilfe von Pumpen gefördert. Die Süßwasserreserven des Great Artesian Basin werden auf 65.000 km³ geschätzt. 65.000 km³, eine riesige Zahl, aber doch weniger als 0,2% aller Süßwasserressourcen der Erde.

Abb. 2: Great Artesian Baisin im Grundriss ...
Abb. 3: ... und im Profilschnitt (gabmap)
Abb. 4: Wasserstellen im ...
Abb. 5: ... australischen Outback
Abb. 6: ... sogenannte bores

Die Verteilung des Wassers auf der Erde

Abb. 7: Die Verteilung des Wassers auf der Erde (Datengrundlage: Christopherson, 1994)

Das gesamte Wasser auf der Erde hat ein Volumen von fast 1,4 Milliarden km³. Das entspricht einem Würfel von 1.100 km Kantenlänge. Von diesen 1,4 Milliarden km³ sind gut 97% Salzwasser der Ozeane und Meere. Der kleine Rest von knapp 2,8% bleibt für das Wasser auf dem Festland: 39 Millionen km³ Süßwasser in Flüssen und Seen, Grundwasser im Gestein und Wasser in Form von Eis und Gletschern.

Abb. 8: Die Verteilung der auf rund 35 Millionen km³ geschätzten weltweiten Süßwasserressourcen (nach UNESCO 2003) Quelle:BGR

Süßwasser ist Wasser mit einem Salzgehalt kleiner 0,1%. Zieht man die nicht nutzbaren Festlandswässer ab, also Wasser aus Salzseen und Tiefengrundwässer, so verbleiben nach UNESCO rund 35 Millionen km³ Süßwasserressourcen. Mit 29 Mio km³ ist das meiste Süßwasser als Eis an den Polen und in den Gletschern der Gebirge gebunden. Allein die Antarktis beherbergt mit 26 Mio km³ etwa 90% allen Festlandeises.

Was ist Grundwasser?

Nach UNESCO sind 30,1% aller Süßwasserressourcen Grundwasser. Die DIN 4049 definiert Grundwasser als unterirdisches Wasser, das die Hohlräume der Erdrinde zusammenhängend ausfüllt und dessen Bewegung ausschließlich oder nahezu ausschließlich von der Schwerkraft und den durch die Bewegung selbst ausgelösten Reibungskräften bestimmt wird.

Und das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) definiert: Grundwasser ist unterirdisches Wasser in der Sättigungszone, das in unmittelbarer Berührung mit dem Boden oder dem Untergrund steht.

Die Wissenschaft, die sich mit dem unterirdischen Wasser beschäftigt, heißt Hydrogeologie.

Grundwasser füllt den Porenraum der Lockergesteine und die Klüfte und Spalten der Festgesteine. Die grundwassererfüllten Gesteine nennt man Grundwasserleiter. Bis auf wenige fossile Tiefengrundwässer ist Grundwasser in Bewegung, es fließt und ist damit Teil des Wasserkreislaufs auf der Erde.

Die Formen des Wassers im Boden

Abb. 9: Formen des Wassers in einem Porengrundwasserleiter (nach Hölting, 1996)

Wie sieht nun das Wasser im Boden aus? Wie kommt es in den Untergrund, wie verhält es sich dort und welche Eigenschaften hat es?

Regenwasser fällt auf den Boden und dringt durch seinen Porenraum als Sickerwasser gravitativ nach unten. Eng um die Bodenpartikel herum haften einige Lagen von Wassermolekülen fest an den Oberflächen der Bodenpartikel, das ist das Adsorptionswasser. Das Adsorptionswasser ist so fest an die Bodenpartikel gebunden, dass es am Sickervorgang und am Grundwasserfluss nicht teilnimmt.

Weitere Lagen von Wassermolekülen um die Bodenpartikel herum, das Haftwasser, sind weniger fest adsorptiv gebunden. Bei höheren Drücken und höheren Fließgeschwindigkeiten des Sickerwassers nimmt auch das Haftwasser an der Wasserbewegung teil.

Die Porenräume, die mit Luft gefüllt sind, stehen für eine Durchsickerung nicht zur Verfügung, wenn die eingeschlossene Luft nicht entweichen kann.

Direkt über der eigentlichen Grundwasseroberfläche bildet sich, je nach Größe der Poren, ein Kapillarwasserraum, in dem das Wasser kapillar gehalten wird und die scheinbare Grundwasseroberfläche bildet.

Die gesamte Bodenzone von der Erdoberfläche bis zur Grundwasseroberfläche wird die wasserungesättigte Bodenzone genannt. Hier bewegt sich das Bodenwasser hauptsächlich gravitativ nach unten.

Darunter beginnt die wassergesättigte Bodenzone, in der das Grundwasser gemäß DIN 4049 und Wasserhaushaltsgesetz die Hohlräume im Gestein zusammenhängend ausfüllt. Hier bewegt sich das Wasser dem Gefälle bzw. dem hydraulischen Gradienten folgend. Das Medium, in dem sich das Grundwasser bewegt, ist der Grundwasserleiter oder Aquifer.

Man unterscheidet drei unterschiedliche Typen von Grundwasserleitern:

Abb. 10: Poren- ...
Abb. 11: Kluft- und ...
Abb. 12: Karstgrundwasserleiter

Porengrundwasserleiter, hier fließt das Grundwasser mehr oder weniger gleichmäßig durch das Porensystem eines Lockergesteins (Abb. 10 und 13),

Kluftgrundwasserleiter, in denen sich das Grundwasser auf den Klüften und Spalten eines Festgesteins bewegt (Abb. 11 und 13) und

Abb. 13: Poren-, Kluft- und Karstsystem (von links) (wasserforscher.de)

Karstgrundwasserleiter, in denen sich das Grundwasser nicht nur auf Klüften und Spalten des Festgesteins bewegt, sondern auch durch Kalklösung verursachte kleinere und größere Hohlräume im Gestein (Abb. 12 und 13). Die Fließgeschwindigkeit von Grundwässern im Karst kann sehr hoch sein. Während sie in einem Porengrundwasserleiter eines feinkörnigen Gesteins nur wenige cm pro Tag betragen kann, erreicht sie im Karst zuweilen einige km pro Stunde.

Gesteine, die ein geringes und feines Poren- oder Kluftsystem haben und deshalb nur eine langsame oder verzögerte Wasserbewegung erlauben, werden Grundwassergeringleiter oder Grundwasserhemmer genannt. Und wasserstauende Schichten wie z. B. Tone werden als Grundwassernichtleiter oder Grundwasserstauer bezeichnet.

Was sind Grundwasserstockwerke?

Abb. 14: Profilschnitt durch einen Porengrundwasserleiter mit freiem Grundwasser

Abb. 14 zeigt einen Profilschnitt durch einen Porengrundwasserleiter. Zur Erkundung der Untergrundverhältnisse wurden 4 Bohrungen angelegt, die zu Grundwasser-Beobachtungsbrunnen ausgebaut wurden. Diese Bohrungen lieferten eine ganze Reihe von Erkenntnissen zur Geologie und zur Hydrogeologie: Unter einem 2 bis 3 m mächtigen Lösslehm stehen 15 bis 20 m mächtige Kiese und Sande der Rheinterrasse an. Diese Kiese und Sande sind hoch wasserdurchlässig und bilden den Grundwasserleiter. Unter den Terrassensedimenten liegt in einer Tiefe von 21 m bis 16 m über NN der Grafenberger Sand, ein sehr feiner Sand als Grundwassergeringleiter, der hier die Sohle des Grundwasserleiters bildet.

Das Grundwasser stand in den Brunnen im Frühjahr in 4 m und im Herbst in 5 m Tiefe. Daraus konnte der höchste (HGW) und der niedrigste (NGW) Grundwasserstand bestimmt werden. Da das Grundwasser in den nördlichen Brunnen stets ein wenig tiefer stand als im südlichen Brunnen, konnte daraus die Fließrichtung des Grundwassers bestimmt werden: Das Grundwasser fließt hier von Süden nach Norden.

Abb. 15: Profilschnitt durch den Untergrund mit mehreren Grundwasserstockwerken

Während in Abb. 14 nur ein einziger Grundwasserleiter existiert, gibt es im Profilschnitt der Abb. 15 davon gleich 3, hier liegen 3 Grundwasserstockwerke übereinander. Im 1. Stockwerk liegt freies Grundwasser vor, das von Osten nach Westen fließt. Die Sohle des 1. Stockwerks wird von einer 20 m mächtigen grundwasserstauenden Tonlage gebildet.

Darunter liegt das 2. Stockwerk, das gespanntes Grundwasser führt. Das heißt, das Grundwasser steht hier unter der Tonschicht unter Druck, so dass es im Tiefbrunnen (links in der Abb. 15) über die Tonschicht hochsteigt.

Unter dem 2. Grundwasserstockwerk folgt unter einer zweiten etwa 5 m mächtigen stauenden Tonschicht ein weiteres Stockwerk mit ebenfalls gespanntem Grundwasser.

Abb. 16: Hydrogeologischer Profilschnitt aus der DIN 4049

Abb. 16 aus der DIN 4049 zeigt in ziemlich verwirrender Weise alle erdenklichen Möglichkeiten zu den Grundwasserverhältnissen im Untergrund. Hier sind u. a. auch die Verhältnisse in einem tiefen Kluftgrundwasserleiter dargestellt: Zwischen Tonsteinlagen als Grundwassernichtleiter liegt eine wasserführende Sandsteinlage, hier als 5. Grundwasserstockwerk (unten in Abb. 16).

Die Bewegung des Wassers im Boden - Das Gesetz von Darcy

Abb. 17: Henry Darcy

Der französische Ingenieur Henry DARCY (1803-1858) wollte wissen, wie viel Wasser er einem Brunnen dauerhaft entnehmen konnte, ohne dass die Förderleistung zurückging oder der Brunnen sogar versiegte. Er wollte also die Ergiebigkeit eines Brunnens bestimmen. Er hat zu diesem Zweck eine ideale Versuchsanordnung konstruiert, die es ihm ermöglichte, nicht nur die Ergiebigkeit eines Brunnens, sondern die generelle Fließbewegung in einem Porengrundwasserleiter zu bestimmen.

Das nach ihm benannte Gesetz von DARCY ist auch heute noch ein wesentlicher Inhalt der Hydrogeologie. Es wurde 1856 im Zuge der von Darcy konzipierten Wassergewinnungsanlage für die Stadt Dijon veröffentlicht.

Abb. 18: Versuchsanordnung nach DARCY

In einen mit Sand gefüllten Zylinder füllte er am oberen Ende Wasser mit einen konstanten Wasserüberstau h1, d. h. er ließ immer so viel Wasser nachfließen (Q1), dass der Wasserstand gleich hoch blieb, auf den Sandkörper wirkte also stets der gleiche Wasserdruck.

Dann maß er die unten aus dem Zylinder austretende Wassermenge Q2 und stellte dabei folgende 3 grundlegende Zusammenhänge fest:

1. Die den Sandkörper durchflossene Wassermenge Q ist direkt proportional der Querschnittsfläche A des Sandkörpers (cross-sectional area, A): Q ~ A. Bei doppeltem Querschnitt fließt doppelt so viel Wasser durch den Sandkörper.

2. Die durchfließende Wassermenge Q ist direkt proportional dem angelegten Wasserdruck: Q ~ Delta h, wobei Delta h = h1 - h2 ist, also die Differenz des Wasserdrucks zwischen dem oberen und dem unteren Ende des Sandkörpers. Bei doppeltem Wasserdruck fließt doppelt soviel Wasser durch den Sandkörper.

3. Die Wassermenge ist umgekehrt proportional zur Länge des durchflossenen Sandkörpers L, in der Zeichnung z1-z2 = Delta z: Q ~ 1/Delta z. Bei doppelter Länge des Sandkörpers fließt nur halb so viel Wasser hindurch.

Man kann also schreiben: Q ~ A · Delta h · 1/Delta z

Als DARCY Sande mit unterschiedlichen Korngrößen in den Zylinder füllte, veränderte sich die durchflossene Wassermenge je nach Korngröße, d.h. jeder Sand hat einen materialspezifischen Faktor, den Proportionalitätsfaktor k oder Durchlässigkeitsbeiwert kf.

Damit heißt die Gleichung: Q = kf · A · Delta h/Delta z (m³/s)

Delta h/Delta z ist definiert als hydraulischer Gradient i

und das Gesetz von DARCY lautet damit: Q = kf · A · i (m³/s)

Von der Dimension her ist der k-Wert ein Wasservolumen, das pro Sekunde durch einen Bodenquerschnitt von 1 m² tritt.

Durch Kürzen entsteht dann die Dimension einer Geschwindigkeit: kf = Q/i · A (m/s).

Jedes Gestein hat einen spezifischen kf-Wert. Tone haben kf-Werte von 10-8 m/s und
kleiner, Feinsande zwischen 10-7 und 10-5 m/s. Kiese dagegen haben kf-Werte von
etwa 10-4 bis 10-2 m/s.

Zur Erläuterung: Ein kf-Wert von 1 · 10-8 m/s bedeutet 1/100.000.000 m/s, d. h. durch einen Bodenquerschnitt von 1 m² fließt pro Sekunde ein Wasservolumen von einem Hundertmillionenstel m³.

Der Durchlässigkeitsbeiwert kf gibt die typische Wasserdurchlässigkeit des jeweiligen Gesteins an. Mit ihm kann man berechnen, wie schnell das Grundwasser fließt und wie schnell sich eventuell im Grundwasser gelöste Schadstoffe ausbreiten können, wie viel Wasser – z. B. Regenwasser - im Boden versickert und welche Wassermenge einem Brunnen entnommen werden kann.

Grundwasser lebt!

Abb. 19: Eine Auswahl von Tieren des Grundwassers (uni-due.de)

Erst seit Kurzem hat man erkannt, dass Grundwasser ein Ökosystem globalen Ausmaßes ist mit sehr spezifischen Lebensbedingungen wie dem Fehlen von Sonnenlicht, der Enge des Porenraums im Boden, den niedrigen und gleichbleibenden Temperaturen und einem geringen Nahrungsangebot.

Trotzdem gibt es im Grundwasser artenreiche Lebensgemeinschaften von Mikroorganismen, Protozoen, Pilzen und Tieren (Abb. 19).

Und das Zusammenspiel dieser Organismen bestimmt maßgeblich die chemische Beschaffenheit und die Qualität unseres Grundwassers.

Jede Organismengruppe trägt durch vielfältige Funktionen zum Bestand der unterirdischen Lebensgemeinschaften bei. Ein Nachhaltiger Grundwasserschutz erfordert daher vor allem den Schutz dieser Gemeinschaften (uni-due.de: Grundwasser lebt!).

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