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Exkursion Lukmanier-Pass

Datum der Exkursion: 04. - 05.07.09

Leitung: Prof. Dr. Kurt Bucher

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Hospiz mit Lai da Sontga Maria (Quelle: Wikipedia)

Protokollant: Timm Reisinger

Matrikelnummer: 2710185

Studiengang und Semester: Geowissenschaften, 2. Semester

Einleitung

Die letzte Gebirgsbildungsphase der Erde war die alpidische Gebirgsbildung Der Prozess der Orogenese begann bereits vor rund 100 Ma in der Kreide. Der Grund für die Bildung der Alpen ist die Kollision der Afrikanischen Platte mit der Eurasischen. Die Alpen setzen sich grundsätzlich aus zwei unterschiedlichen Gesteinstypen zusammen, dem paläozoischen Grundgebirge aus Graniten und Gneisen und dem Deckgebirge aus metamorph überprägten Sedimenten. Das Gebirge weist viele Falten auf, von Mikrofalten im Zentimeterbereich bis hin zu großmaßstäblichen Gebirgsfalten.

Lukmanier (1.914m ü. NN), ist ein Südschweizer Alpenpass an der Grenze der Kantone Graubünden und Tessin. Geologisch liegt der Pass zwischen dem Lucomangomassiv im Westen und dem Gotthardmassiv im Osten. Auf der Höhe des Passes liegt der Lai da Sontga Maria, ein Stausee, der die umliegenden Wässer sammelt.

Die Alpen werden von Norden nach Süden hin immer stärker metamorph; Lukmanier liegt in dem Bereich der Grünschieferfazies und der Amphibolitfazies. Die Gesteine, die wir hauptsächlich finden, sind Granite und Gneise aus dem Paläozoikum sowie kalkige und dolomitische Sedimente aus der Trias (Tab. 1).

Tabelle 1: Übersichtstabelle der Erdzeitalter und der dazugehörenden Gesteine im Lukmanier-Gebiet

Zeitalter

Periode

Serie

Gestein

Ereignis

Känozoikum

Tertiär

Monazite

Mesozoikum

Kreide

Beginn alpine Orogenese

Mesozoikum

Jura

Lias

Metapilite(C-reich)

Mesozoikum

Trias

Quarten-Keuper

Metapilite Quartenschiefer

Mesozoikum

Trias

Rötl-Muschelkalk

Zellendolomit

Mesozoikum

Trias

Mels-Buntsandstein

Quarzit

Aufschluss 1 (N46°31.811´ E8°50.458´, 1.684 m ü. NN)

Abb. 1: Faltung im Aufschluss 1
Abb. 2: Disthen im Aufschluss 1

Bei den anstehenden Gesteinen im ersten Aufschluss, westlich vom Ausgangspunkt, handelt es sich um Quartenschiefer aus dem oberer Teil der Trias, genauer aus dem Keuper. Das metamorphe amphibolitfaziell überprägte Sediment ist geschiefert und stark gefaltet Abb. 1). Mineralische Bestandteile sind Hornblenden (große dunkelgrüne bis schwarze Stängel), Muskovit, Disthene (Kyanit, lange, stänglige, nadelige, etwas bläuliche Minerale) (Abb. 2). Diese Mineralzusammensetzung weist auf einen Disthen-haltigen Glimmerschiefer hin. Es gibt Bereiche, meist dünne Horizonte, die schneller verwittert sind; diese braun-gelben Lagen sind Kalke, wie der Salzsäure-Test beweist. Bei den grünlichen Lagen handelt es sich um Silikate. Aufgrund der besseren Löslichkeit der Karbonate in Wasser verwittern die kalkigen Lagen schneller als die silikatischen, was eine Bankung zur Folge hat. Hier ist es zu einer Reliefumkehr (auch: Inversion) gekommen: Durch Verwitterung unterschiedlich widerstandsfähiger Gesteine kam es zur morphologischen Umwandlung tektonischer Formen.

Aufschluss 2 (N46°31.816 E8°50.204`, 1´.750 m ü. NN)

Bei unserem zweiten Halt weiter westlich steht das gleiche Gestein (stark verformte Metasedimente) an, ein Unterschied stellt jedoch die Vielzahl an dunkelroten bis schwarzen Granaten in der Matrix dar (Abb. 4). Jede Lage weist eine nahezu eigene Mineralansammlung auf, wobei Muskovit die Hauptkomponente darstellt. Die hier anzutreffenden Granate besitzen viel Graphit auf ihrer Oberfläche und dementsprechend sind sie ins Dunkle hin verfärbt. Der Graphit im Gestein führt allgemein zu der dunklen Färbung des Schiefers. Auffällig sind auch große grüne Hornblenden, die, getrennt von einem Dolomitmarmorband, über dem zuvor beschriebenen Granat-Glimmerschiefer liegen.

Orangefarbene Flechten geben an diesem Halt einen Hinweis auf kalkhaltige Gesteine, weil Flechten charakteristischerweise auf kalkhaltigen Gesteinen wachsen (Abb. 3).

Abb. 3: Orangefarbene Flechten auf kalkhaltigem Gestein
Abb. 4: Granate im Gestein

Aufschluss 3 (N46°31.806 E8°49.939´, 1.766 m ü. NN)

Unser nächster Halt in Frodalera weist mehrere Aufschlüsse auf. Chloritschiefer war das erste Gestein, das wir hier untersuchten, Die Existenz von Chloritschiefer ist ein Hinweis darauf, dass sich das Gestein bei seiner Entstehung noch im unteren Faziesraum der Amphibolite befand, weil sonst die im Kristallsystem eingebauten OH-Gruppen entwichen wären. Auch hierbei handelt es sich noch um einen Quartenschiefer.

Der folgende Aufschluss wies zum einen viele Granate auf, die vor allem in Bereichen ohne Hornblenden auftreten. Sie besitzen eine deutliche rote Farbe, was auf weniger Graphit auf ihrer Oberfläche schließen lässt. Neben Biotit gibt es an dieser Lokation auffällig gut ausgebildete Hornblenden (Abb. 5), wobei diese aufgrund der unterschiedlichen und ungeregelten Orientierung im Vergleich zur Schieferung zufällig postdeformatisch bzw. spätalpin entstanden sind (Abb. 6). Die idiomorphen Granate und Hornblenden bestehen aus etwa 20 Gewichtsprozent (Gew.-%) Aluminium, deshalb sind die Hornblenden hier genauer als tschermakittische Hornblenden zu bezeichnen. Die Matrix der Hornblenden setzt sich aus Quarz, Feldspat und Glimmer zusammen.

Die im Gestein enthaltenen Quarze, meist in Form von Gängen, sind später aus warmer wässriger Lösung ausgefallen.

Abb. 5: Hornblenden in Frodalera
Abb. 6: Ungeregelte Orientierung der Hornblenden

Aufschluss 4 (N46°32.194´ E8°48.407´, 2.030 m ü. NN)

Im vierten Halt weiter nordwestlich steht Dolomitmarmor der Mittleren Trias an, dieser ist sandig und griesig. Auf dieses Gestein wurde während der Metamorphose eine Temperatur von etwa 530 – 540 °C ausgeübt, was zu der Reaktion von Dolomit mit dem in geringen Mengen vorhandenem Quarz führte, so dass sich metamorphe Minerale wie Tremolit in Form kleiner Nadeln und Talk in Form von weißen Schuppen in der Amphibolitfazies bilden konnten. Der Zellendolomit enthält Anhydrit, der sich gelöst hat. In den Hohlräumen fallen Calcite aus, das Resultat ist ein Calcit-Dolomitmarmor (das Gestein reagiert in Form von Brausen stark auf Salzsäure (HCl), dies führt zu der Annahme, dass das Gestein viel Dolomit und vor allem Calcit besitzt und nur wenig Silikate aufweist).

Unter dem Dolomitmarmor-Aufschluss gibt es auffällige Verkarstungserscheinungen, die besonders in Form sehr schöner Dolinen zu erkennen sind (Abb. 7). Aufgrund der besseren Löslichkeit von Calcit in Wasser verwittert der letztere schneller als der Dolomit. Sobald der Calcit herausgewittert ist, wird die Gesteinsmatrix instabil und der Dolomit beginnt zu bröseln und bildet somit Löcher im Gestein. Ein charakteristischer Aspekt von kalkigen Untergründen sind Karstsysteme und die daraus folgenden Dolinen.

Abb. 7: Charakteristische Dolinen im Karst
Abb. 8: Turmaline im Paragneis

Aufschluss 5 (2.296 m – 2.376 ü. NN)

Auf dem Paso de Sole stehen Paragneise mit Turmalinen an (Abb. 8). Kurz unter dem Pass sind folgende Minerale im Gestein zu erkennen: Biotit, Muskovit, Granat, Chlorit, Staurolith und Dysten.

Die Lukmango-Decke ist Altkristallin und durch viele Metamorphosen geprägt worden. Der Biotit liegt im Gestein meist quer zur Schieferung, was ist ein Indiz für eine jüngere Metamorphose ist.

Kurz unter dem Pass ist Hornblendengarbenschiefer zu finden. Der Anteil von Turmalin im Hornblendengarbenschiefer steigt hier, je weiter wir uns dem Pass nähern.

Oben auf dem Paso de Sole, wie auch beim Aufstieg, ist die charakteristische Verwitterung von Dolomit sehr auffällig (Abb. 9). Deutlich wird der Gegensatz zwischen sanft gewellten Almen und den aus ihnen hochragenden Riffgipfeln, die meist von gewaltigen Schutthalden umgeben sind (Abb. 10). Diese Verwitterung unterscheidet sich deutlich der Verwitterung von Gneis.

Abb. 9: Verwitterung von Dolomit (Zellendolomit)
Abb. 10: Riffgipfel aus Dolomit

Tag 2 Rundweg um den Lai da Sontga Maria

Die Route führt durch eine Synklinalenform, deren Achse nach Osten hin einfällt und deren Kern die Scopi-Mulde bildet.

Aufschluss 6

Zunächst betrachteten wir Begrenzungssteine an einem Strommast:

- 1. Orthogneis mit den Hauptbestandteilen Feldspat, Quarz und Biotitpflatschen

- 2. Glimmerreicher Schiefer aus dem Lias. Bei der Tiefseeablagerung handelt es sich um schwarze organische Schiefer mit Graphit und Zoesit-Nädelchen.

- 3. Gneis (Augengneis), genauer ein Granatgneis mit großen Kalifeldspäten als Augen und einregeltem Biotit.

- 4. Dolomit aus der Mittleren Trias. Die Zellstruktur des Dolomits kommt zustande durch Calcit, der sich besser als Dolomit im Wasser löst.

- 5. Quarzit aus der Unteren Trias. Der Quarzit weist splittrige Abbruchkanten auf, die aufgrund des sehr dichten Quarzmaterials entstehen.

- 6. Quarten-Schiefer aus der Zeit der Oberen Trias. Enthält Glimmer und Hornblenden. Es gibt unterschiedliche Lagen: gelbe Dolomit-Lagen, braune Quarzit-Lagen und weiße Quarzknollen.

- 7. Stark verfalteter Quartenschiefer aus dem Keuper mit Disten-Nadeln und viel Biotit.

Aufschluss 7 (N46°34.057´ E8°47.126´, 1.908 m ü. NN)

Abb. 11: Quarzgang im Orthogneis

Der im Aufschluss 7 direkt an einem Zufluss zum Stausee zu findende Kalifeldspat-Augengneis weist ein schönes Parallelgefüge auf und wird hier in Folge dessen umgangssprachlich „Streifengneis“ genannt. Näher betrachtet erkennt man in der Struktur zwei verschiedene Schieferungen, die normale, durch Druckerhöhung und Hitze induzierte parallele Schieferung, aber auch eine Scherschieferung, die in der Spätphase der alpidischen Gebirgsbildungsphase entstand. Als Ausgangsgestein werden herzynische Granite vermutet (alt alpin), welche unter dem Einfluss von Metamorphose zu Orthogneis umwandelt wurden. Minerale im Gestein sind ein großer Anteil Alkalifeldspat, Muskovit, Biotit und Quarz. Die linsenförmigen Augen bestehen aus Feldspat. Ursprünglich waren sie quaderförmig, wurden aber durch den bei der Metamorphose herrschenden Druck flachgepresst. Dieser Aufschluss stellt den Grenzübergang von Grünschieferfazies zur Amphibolitfazies dar.

Etwas weiter steht dasselbe Material mit einem jungen (vor ca. 10 Ma) intrudiertem größeren Quarzgang an, der aus wässriger Lösung hydrothermal ausgefallen ist (Abb. 11).

Aufschluss 8

Der gebänderte Paragneis in diesem Aufschluss ist dunkel und besitzt Augen aus Quarz. Der Gneis enthält viel Eisen und Sulfide, was vermutlich an dem Eisensulfid Pyrit liegt.

Aufschluss 9 (N46°34.844´ E8°47.630´, 1.915 m ü. NN)

Der hier zu findende Lias-Glimmerschiefer ist sehr feinkörnig und gehört der Oberen Grünschieferfazies (450°C, 4-5 bar) an. Der sogenannte grünschieferfazielle Metapelit enthält viele Granate, Muskovit, Chlorit und Quarz. Das Metasediment weist dunkle Stellen auf, die durch viel Graphit entstehen, des weiteren gibt es grüne (chloritreich) und rostige Stellen (Sulfide, teilweise Oxidation zu Eisenoxiden). Auch hier sind die schneller verwitterten Kalkbändchen zu erkennen und die daraus resultierende Bankung in der Felswand. Vor allem ist der Aufschluss, der sich dem Ufer entlang nach Osten befindet, eine sehr bekannte Lokalität für Margarit, dem Ca-Hellglimmer. Der später gebildete Margarit ist in diesem Aufschluss durch bis zu 3 cm großen Plättchen vertreten, die sich oft quer zur Schieferung gebildet haben.

Aufschluss 10 (N46°35.139´ E8°47.807´, 1.920 m ü. NN)

Abb. 12: Granit mit großen idiomorphen Kalifeldspäten

Weiter nördlich, kurz vor der Staumauer des Lai da Sontga Maria, befindet sich ein aufgeschlossener fast undeformierter Granit.

Das Gestein ist eine von der umgebenden metamorphen Region fast unberührte Einheit, die sich bis hin zur Staumauer erstreckt. Auffällig sind die großen aus der Matrix herausragenden idiomorphen Kalifeldspäte (Abb. 12).

Oben erwähnter Granit ist das Ausgangsgestein des am südlichen Ufer (Aufschluss 6) aufgeschlossenen Streifengneises.

Aufschluss 11 (N46°34.940´ E8°48.209´, 1.947 m ü. NN).

Diese Reihe von Aufschlüssen befindet sich über der Galerie der „Via Lucmagn“. Aufgrund eines tektonischen Kontaktes fehlen an dieser Stelle die Mittel- und Untertrias. Die aufgeschlossenen Gesteine sind Metasedimente mit zum Teil starker tektonischer Überprägung, was sich in Form von Schieferung und Klüftung widerspiegelt. Auf dem Tunnel stehen die gleichen Gesteine wie auf der anderen Seite an, nur in einer durch eine Synklinale verursachten anderen Reihenfolge. Hier sind zunächst Gesteine aus der Grünschieferfazies auszumachen und darauf (erst gegen Ende des Weges) Vertreter der Amphibolitfazies (umgekehrt zu den Gesteinen mit abnehmendem Metamorphosegrad auf dem Weg zur Staumauer, bzw. auf der anderen Seite des Lai da Sontga Maria).

Die Anwesenheit von Chlorit im Tonstein ist hier ein Diagnosemerkmal der Grünschieferfazies. Chlorit war schon zurzeit der Sedimentation vorhanden und auch das erste Mineral, das sich unter dem Einfluss von Druck senkrecht zu ihm orientierte.

Zusammenfassung

Am Beispiel von Lukmanier wurden uns die unterschiedlichen Gesteinsarten demonstriert und der Weg von der schwachen Metamorphose der Grünschieferfazies zu der Amphibolitfazies erläutert.

In erster Linie lernten wir bei dieser Exkursion unterschiedliche Gesteine im Gelände zu bestimmen, von Schiefer, Granit und Gneis bis hin zu karbonathaltigen Gesteinen (z.B. Dolomit). Des Weiteren spielte die Untersuchung und Erkennung von Mineralen eine Rolle.

Zu guter Letzt bekamen wir einen Überblick über die alpidische Orogenese mit ihren verschiedenen sedimentären und metamorphen Prozessen. Dabei konnte die große Anzahl an Faltungen jedes Ausmaßes häufig als Indiz für Metamorphose genutzt werden.

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